"Wenn die Kirche auch den Atheismus eindeutig verwirft, so bekennt sie doch aufrichtig, dass alle Menschen, Glaubende und Nichtglaubende, zum richtigen Aufbau dieser Welt, in der sie gemeinsam leben, zusammenarbeiten müssen. Das kann gewiss nicht geschehen ohne einen aufrichtigen und klugen Dialog." In der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" über die Kirche in der Welt von heute ließ das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) keinen Zweifel, dass der Katholizismus auch im Umgang mit Atheisten vor einer Zeitenwende stand. Schon Monate vor der Veröffentlichung hatte Papst Paul VI. (1963-1978) mit der Gründung des Sekretariats für die Unglaubenden am 9. April 1965, vor 50 Jahren, das Instrument für einen ganz neuen Dialog geschaffen.
Abschottung keine Lösung
Seit der Aufklärung war die Kirche dem Vormarsch der Säkularisierung und Entchristlichung in der Gesellschaft mit schroffer Ablehnung und verbissenen Rückzugsgefechten begegnet. Dialog mit Agnostikern und Gottesleugnern? Undenkbar! Das Konzil erkannte, dass Abschottung nicht die Lösung sein konnte, wenn die Kirche weiter mitgestalten wollte. Der Kalte Krieg stand auf dem Höhepunkt. Im kapitalistischen Westen verlor der christliche Glaube - gerade in der jungen Generation - rapide an Boden, im sozialistischen Osten war der Atheismus gar Staatsdoktrin, auch in katholisch geprägten Ländern wie Ungarn oder Kuba. Eine ins Weltall ausgreifende Naturwissenschaft stellte unausweichlich die Gottesfrage, und der Mensch war inzwischen in der Lage, jeglichen Heilsplan binnen Stunden mit Tausenden Atomsprengköpfen abzuschalten.
"Fangen Sie einfach an, und lassen Sie sich von ihren Erfahrungen leiten" - mit diesen Worten habe Paul VI. ihn auf Mission geschickt, erzählte der Wiener Kardinal Franz König später. Der erste Leiter des neuen Dialog-Sekretariats wurde vom Papst dazu bestimmt, er wollte die Aufgabe anfangs nicht. Die Zielgruppe schien ihm zu gewaltig: areligiöse Humanisten auf der einen, ideologisch betonierte Marxisten auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, und hüben wie drüben die Vertreter einer positivistischen Naturwissenschaft. Diese Leute hatten nicht auf Gesprächsofferten aus dem Vatikan gewartet. Im Gegenteil: Sie hatten die Kirche im großen Plan der Geschichte längst abgeschrieben.
Scheinbar unvereinbar
Kardinal König, geboren 1905, leistete mit diplomatischem Feingefühl eine Kärrnerarbeit. Zwischen 1965 und 1980 reiste der Wiener Erzbischof durch beide Machtsphären, regte die Diskussion zwischen scheinbar unvereinbaren Meinungen an, organisierte auch im Ostblock Dialogrunden zwischen Kirchenvertretern und atheistischen Intellektuellen. Die gestanden bei einem Treffen 1969 in der Tschechoslowakei zumindest ein: Das Prinzip der Hoffnung und den Glauben an die Ewigkeit können auch Marx und Lenin nicht abschließend erklären.
Das mittlerweile zum Päpstlichen Rat erhobene Sekretariat setzte seine Arbeit unter Johannes Paul II. (1978-2005) fort. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks schied der Staatsatheismus als Gesprächspartner aus, doch er hinterließ eine spirituelle Wüste. In vielen Teilen der westlichen Gesellschaften sah es angesichts einer rapide fortschreitenden Säkularisierung im Zeichen des Relativismus aber ähnlich aus.
Heute: Päpstlicher Rat für die Kultur
Der Papst vereinigte 1993 den Rat für den Dialog mit den Nichtglaubenden und den Kulturrat zu einem neuen Päpstlichen Rat für die Kultur. Die zweite Abteilung des rund 30 Mitarbeiter umfassenden sogenannten Dikasteriums erfüllt bis heute die Aufgaben des einstigen Sekretariats. Benedikt XVI. (2005-2013) gab ihrer Arbeit neue Impulse mit der Dialogreihe "Vorhof der Völker", benannt nach dem für Nichtjuden vorgesehenen Bereich des antiken Jerusalemer Tempels.
Seit 2011 hat der "Vorhof der Völker" schon an mehr als 20 Orten weltweit, darunter auch Berlin, gläubige und nichtglaubende Intellektuelle zusammengeführt. Dabei taucht in den Diskussionen immer wieder die Frage auf, wie sich Ethik, Menschenrechte und das Streben nach einer gerechten Freiheit mit und ohne Gott begründen lassen. Schränkt Religion den Menschen in seinen Möglichkeiten ein, oder braucht eine soziale Gesellschaft nicht zwingend auch den Gottesbezug?