Seit Mitte März wurden in dem Konflikt mindestens 560 Menschen getötet und rund 1.800 verletzt. Etwa 100.000 sind geflohen. Die meisten der 25,4 Millionen Einwohner des Jemen sind Muslime; davon sind mindestens 30 Prozent Schiiten und die übrigen Sunniten. Die Zahl der meist ausländischen Christen wird von Religionsstatistikern auf knapp 20.000 geschätzt. Der Islam ist Staatsreligion; Missionierung unter Muslimen ist verboten. Muslime, die dennoch Christen werden, müssen ihren Glauben im Verborgenen leben.
Mehr Offenheit für die christliche Botschaft
Den Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten sind Christen weitgehend ungeschützt ausgeliefert. Sie werden als Außenseiter angesehen. Beide Seiten begegneten ihnen mit Misstrauen, erklärte der Sprecher der „Hilfsaktion Märtyrerkirche“ in den USA, Todd Nettleton (Bartlesville/Bundesstaat Oklahoma). Die Konvertiten gelten als „Abtrünnige“ vom Islam, denen nach dem Religionsgesetz Scharia schwere Strafen bis zur Hinrichtung drohen. Andererseits führen laut Nettleton die innerislamischen Kämpfe dazu, dass viele gemäßigte Muslime ihre Religion mit Skepsis betrachten. Dadurch würden sie aufgeschlossener für die christliche Botschaft. Die Hilfsaktion unterstütze die Christen mit Bibeln und anderer Literatur; könne dies aber nur im Verborgenen leisten. Ähnlich äußerten sich Mitarbeiter des Missionswerkes der Südlichen Baptisten in den USA, die aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden wollen. Die Unruhen ließen viele Jemeniten danach fragen, wa s ihrem Leben wirklich Halt gebe. Viele würden dadurch geistlich aufgeschlossener, sagte eine Mitarbeiter dem Informationsdienst Mission Network News (Grand Rapids/US-Bundesstaat Michigan).
Hilfswerk Care warnt vor humanitärer Katastrophe
Auch die Hilfsorganisation Care ist besorgt über die Lage der Zivilbevölkerung im Jemen. Nach einer Woche andauernder schwerer Kampfhandlungen könnte sich die bereits seit langem fragile Situation im Land in eine schwere humanitäre Katastrophe ausweiten, warnte Care am Mittwoch in Bonn. Besonders besorgniserregend sei die Situation im Süden, wo willkürlich abgefeuerte Geschosse unschuldige Menschen töteten, berichtet Länderdirektor Daw Mohamed. "Die Infrastruktur ist kollabiert und der Zugang zur Zivilbevölkerung blockiert."
Care appellierte an die Konfliktparteien, das Leben von Zivilisten zu schützen und den Zugang für humanitäre Hilfe zu sichern. Die Zahl der Zivilisten, die getötet, verletzt oder vertrieben wurden, steige dramatisch, hieß es. Der Zugang zu den Hilfsbedürftigen sei schwierig, da viele Straßen und Brücken blockiert und alle Häfen sowie Flughäfen geschlossen seien. Aufgrund des teilweise gesperrten Luftraumes sei es extrem schwierig, Hilfsgüter ins Land zu bringen.
Viele Krankenhäuser seien zerstört worden oder unzugänglich. Bereits vor den jüngsten Entwicklungen waren nach Care-Angaben über 60 Prozent der Bevölkerung im Jemen, dem ärmsten Land am Arabischen Golf, auf Hilfe zum Überleben angewiesen.
Unicef fordert Schutz für Kinder
Wie in jeder kriegerischen Auseinandersetzung leiden besonders die Kinder. Das Kinderhilfswerk Unicef hat daher die Konfliktparteien dazu aufgerufen, den deren Schutz im Land sicherzustellen.
"Die Situation ist sehr gefährlich. Krankenhäuser sind überfüllt und sogar Krankenwagen werden entführt", sagte Julien Harneis, Leiter von Unicef im Jemen. Die Kämpfe verschlimmerten die ohnehin prekäre Lage der Kinder im Jemen, wo viele Heranwachsende schwer mangelernährt seien. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen unterstützt nach eigenen Angaben die Gesundheitsversorgung in dem arabischen Land durch die Verteilung von Medikamenten, Impfstoffen und Zusatznahrung. Zudem versorgten Unicef-Teams und Partner die Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser, wenn die Sicherheitslage es erlaube, hieß es.Wissenschaftler: Jemen-Konflikt lädt sich stärker religiös auf
Religiöser Konflikt droht
Der Politikwissenschaftler Guido Steinberg befürchtet, dass die Kämpfe in einen religiösen Konflikt münden. Noch seien die Auseinandersetzungen ein reiner Machtkampf, sagte Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Deutschlandfunk. Mit dem Vorrücken der Rebellen im Süden könne sich das ändern.
Da die Rebellen nun immer weiter Richtung Süden vormarschierten, gewinne der Konflikt eine immer stärkere religiöse Dimension. Einige der Bewohner im Süden würden den Konflikt bereits unter religiösen Gesichtspunkten annehmen.
In seiner Osterbotschaft hatte Papst Franziskus die Hoffnung geäußert, "dass sich im Jemen ein allgemeiner Wille zur Befriedung und für das Wohl der gesamten Bevölkerung durchsetzen möge".
Christliche Entwicklungshelfer entführt
Im Jemen waren in der Vergangenheit öfter christliche Entwicklungshelfer entführt oder getötet worden. So wurde die sächsische Familie Hentschel im Jahr 2009 mit vier weiteren Christen in der nordjemenitischen Provinz Saada verschleppt, wo die Hentschels an einem staatlichen Krankenhaus arbeiteten. Drei der Entführten – zwei deutsche Krankenschwestern und eine südkoreanische Lehrerin – wurden erschossen aufgefunden. 2010 konnten die Töchter Lydia (10) und Anna (8) von Johannes und Sabine Hentschel in die Heimat zurückkehren, die Eltern und ihr Sohn Simon blieben aber verschollen. Im vorigen Jahr informierte das Auswärtige Amt die Angehörigen, dass die Vermissten tot sind. Im Jahr 2012 wurde der US-amerikanische Christ Joel Shrum in Tais auf offener Straße erschossen. Islamische Terroristen bekannten sich zu dem Anschlag. Wenige Tage zuvor war eine Schweizer Sprachlehrerin in der Hafenstadt Hobeida entführt worden.