Das erste Heilige Jahr wurde 1300 ausgerufen: Papst Bonifaz VIII. griff die Endzeitstimmung zum Jahrhundertwechsel auf und gewährte "allen, die in diesem gegenwärtigen und in jedem folgenden hundertsten Jahr ehrfürchtig zu diesen Basiliken kommen, ...vollste Vergebung aller ihrer Sünden". Die Romfahrt bekam eine neue Dimension und ersetzte die Buß- und Wallfahrtsidee der gescheiterten Kreuzzüge. Der Abstand zwischen den Heiligen Jahren wurde von 100 auf 50, auf 33 und schließlich auf 25 Jahre verkürzt. Schon das nächste Jubeljahr 1350 fand ohne den Papst statt, der im französischen Avignon residierte.
Das Heilige Jahr 1390 war geprägt vom großen abendländischen Schisma. Die Resonanz war gering. Um 1400 herrschte eine ähnliche religiöse Spannung wie 100 Jahre zuvor. Aus Südfrankreich kamen Büßer und religiöse Fanatiker. Am "Zug der Weißen" - benannt nach ihrer Kutte - sollen 120.000 Menschen teilgenommen haben. Eine "Heilige Pforte" wurde im Petersdom erstmals 1500 vom umstrittenen Borgia Papst Alexander VI. geöffnet, einem Freund feierlicher Zeremonien. Er stellte neben dem Portal große Truhen für das Opfergeld auf, das zum Teil in den Taschen seines Sohnes Cesare landete. Daher verbot Klemens VII. für 1525, Opfergeld zu kassieren. Trotz der Reformation berief er ein Heiliges Jahr ein - wegen der unsicheren Lage kamen nur wenige Besucher, ähnlich 1550.
Wechselvolles 19. Jahrhundert
Kaum ein Heiliges Jahr war so stark von Glaubens- und Kirchenerneuerung geprägt wie das von 1575. Nach der Reformation hatte der Katholizismus mit dem Trienter Konzil wieder Tritt gefasst. Gastgeber vor dem Rohbau des neuen Petersdoms war Gregor XIII., der Papst der Kalenderreform. Eine hohe Teilnehmerzahl melden die Chronisten auch für 1600. Das nächste Heilige Jahr 1625 war überschattet vom Dreißigjährigen Krieg. Papst Urban VIII. verbot, Rom mit Waffen zu betreten. Das barocke Leben mit Festen und Schauspiel prägte dieses wie die nächsten Jubiläumsjahre.
Kein Heiliges Jahr gab es 1800. Pius VI. war von Napoleon verschleppt worden und starb 1799 im Exil. Bei der Wahl seines Nachfolgers war es für ein Heiliges Jahr zu spät. Für 1825 kündigte Leo XII. wieder ein Anno Santo an. Es fand in einem Klima der Angst vor Verschwörungen statt. Danach blieb die Heilige Pforte für 74 Jahre geschlossen. 1848 brachen Revolutionen aus; Pius IX. musste fliehen. 25 Jahre später rief der gleiche Papst, der sich nach dem Ende des Kirchenstaates 1870 als "Gefangener" im Vatikan fühlte, nur symbolisch ein Jubeljahr aus.
Außerordentliche Heilige Jahre im 20. Jahrhundert
Der "Sozial-Papst" Leo XIII. verfolgte mit dem Jubiläum von 1900 ein doppeltes Ziel: Seine "Politik der Pilgerzüge" - man reiste inzwischen per Bahn an - sollte der katholischen Welt die schwierige Lage des Papstes zeigen. Und Italiens Regierung sollte die Beliebtheit des Papstes erfahren. Das Heilige Jahr begann mit Duldung des Staates. Aber bald kamen Spannungen auf. Italienische Patrioten feierten säkulare Gegenveranstaltungen.
In einer Aufbruchsstimmung mit starkem missionarischen Charakter fanden das Heilige Jahr 1925 und ein außerordentliches Jubeljahr 1933 - 1.900 Jahre nach Christi Auferstehung - statt. Die erste Heilig-Jahr-Statistik ermittelte für 1925 die Zahl von 582.234 Pilgern. 1950 nach Weltkrieg und Faschismus und vor dem Hintergrund der Teilung Europas bestimmte Pius XII. die festliche Szene. Drei Millionen Pilger kamen. Der Papst verkündete das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel.
Nüchterner, im Geist des Konzils, war das "Anno Santo" 1975. Die Romfahrten erlebten mit neun Millionen Besuchern einen Höhepunkt. Anliegen war die innere Erneuerung und Versöhnung der Menschen. Johannes Paul II. berief 1983 ein außerordentliches "Heiliges Jahr der Erlösung". Das "Große Jubiläum" 2000 war sein großes Lebensziel: Er wollte die Kirche ins Dritte Jahrtausend führen. Mit rund 25 Millionen Besuchern brachte das Heilige Jahr 2000 einen Pilgerrekord.