Kritik an Flüchtlingspolitik Deutschlands und der EU

Forderungen nach Seenotrettungsdienst

Angesichts immer neuer Flüchtlingstragödien vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa und andernorts wächst die Kritik an der EU-Asylpolitik. Kardinal Woelki zeigte sich erschüttert über die jüngsten Nachrichten.

Italienische Küstenwache (dpa)
Italienische Küstenwache / ( dpa )

"Was da im Mittelmeer gegenwärtig passiert, das ist eine furchtbare Tragödie, und zwar zum wiederholten Mal, und ich werde deshalb auch nicht müde, immer wieder auf diese Not der Flüchtlinge hinzuweisen", sagte Kardinal Rainer Maria Woelki in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Besonders berühre ihn das Schicksal der vielen Kinder, die an Bord der Schiffe unterwegs seien.

Im Mittelmeer waren vor der libyschen Küste erneut zahlreiche Flüchtlinge ertrunken. Laut der Internationalen Organisation für Migration berichteten vier gerettete Migranten, sie seien mit mehr als 40 weiteren Menschen auf einem Schlauchboot unterwegs gewesen, das gekentert sei. Die italienische Küstenwache hatte die Überlebenden am Donnerstag an Bord eines ihrer Schiffe genommen und nach Sizilien gebracht, wie die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" am Freitag meldete. Bei der Überfahrt eines weiteren Flüchtlingsboots endete ein offenbar religiös motivierter Streit tödlich. Am vergangenen Sonntag waren vermutlich rund 400 Flüchtlinge ertrunken, als ihr Boot vor der libyschen Küste untergegangen war. Insgesamt starben in den ersten vier Monaten des Jahres bei Überfahrten von Libyen nach Italien Schätzungen zufolge 900 Menschen. Den sizilianischen Hafen Trapani erreichten allein am Donnerstag 600 aus Seenot gerettete Flüchtlinge. Weitere 900 würden an Bord von Schiffen der italienischen Küstenwache und Frachtern in Kürze die Insel erreichen, hieß es am Freitag. Wegen des großen Andrangs bringen die italienischen Behörden Flüchtlinge mittlerweile in behelfsmäßig eingerichteten Gebäuden und Zelten unter.

Kritik an EU-Flüchtlingspolitik

Amnesty International verlangt wegen der Bootsunglücke sichere Wege für Flüchtlinge nach Europa. Der Generaldirektor der Organisation in Italien, Gianni Rufini, forderte im Deutschlandfunk, eine Möglichkeit, schon vor der Überfahrt über das Meer Asyl zu beantragen. Dies könne etwa in den nordafrikanischen Städten geschehen. Dadurch ließe sich der Menschenhandel stark verringern. Rufini warf der Europäischen Union Fehlverhalten vor. Es geschehe nichts, um das Flüchtlingsproblem an der Wurzel zu packen. Rufini forderte die EU auch zu einer ausgedehnten Such- und Rettungsoperation im Mittelmeer auf, die bis an die libyschen Hoheitsgewässer heranreiche. 

Kritik kam auch von der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge "Pro Asyl". Der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovitch forderte im Interview mit domradio.de die sofortige Einrichtung eines Seenotrettungsdienstes der Europäischen Union. Mit Blick darauf, dass Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) sich hier sperrt, betonte Mesovitch, die Bundesregierung mache sich mitschuldig am Tod Tausender Menschen. Eine europäische Seenotrettung und die Öffnung legaler Wege nach Europa seien dringender denn je, so Pro Asyl. Die Länder Europas dürften nicht länger zusehen, wie Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten vor verschlossenen Grenzen stünden und bei dem verzweifelten Versuch, ihr Leben zu retten, ertränken. Die derzeitige Mission Triton sei viel zu schwach, um der wachsenden Zahl der Flüchtlinge wirksam begegnen zu können.

Grüne werfen de Maiziere Unmenschlichkeit vor

Die Grünen attackierten unterdessen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) für seine Äußerungen zu der Flüchtlingstragödie. Grünen-Chefin Simone Peter bezeichnete in der "Neuen Osnabrücker Zeitung"  die Ausführungen de Maizieres  als "Gipfel der Unmenschlichkeit". Sie bezog sich dabei auf die Warnung des Ministers, eine europäische Seenotrettung arbeite Schleppern in die Hände.

"Wenn die Rettung von Menschen aus dem Mittelmeer Beihilfe für Schlepper ist, dann macht sich die Feuerwehr der Beihilfe für Brandstifter schuldig", erklärte Peter. Sie wies darauf hin, dass das massenhafte Sterben von Flüchtlingen jetzt auch die UN auf den Plan gerufen habe. "Was muss noch passieren, damit sich die EU-Staaten endlich ihrer Verantwortung stellen und das Sterben beenden?", kritisierte die Grünen-Politikerin. Der Bundesinnenminister hatte im ZDF anstelle eines europäischen Seenotrettungsdienstes für Einrichtungen in Transitländern plädiert, an die sich Flüchtlinge für eine legale Einreise nach Europa wenden könnten.


Quelle:
dpa , KNA , epd , DR