Israel und Polen gedenken der Opfer des Holocaust

Sirenen und "Marsch der Lebenden"

70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Menschen in Israel und Polen am Donnerstag der Opfer des Holocausts gedacht - mit Sirenen und einem "Marsch der Lebenden".

"Marsch der Lebenden" im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz / © Stanislaw Rozpedzik (dpa)
"Marsch der Lebenden" im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz / © Stanislaw Rozpedzik ( dpa )

Um 10 Uhr Ortszeit (9 Uhr MESZ) heulten in ganz Israel Sirenen. Die Menschen unterbrachen ihre Arbeit, viele Busse und Autos stoppten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Reuven Rivlin legten Kränze in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem nieder, die Knesset erinnerte in einer Zeremonie an die Ermordeten. 

In Israel leben nach Angaben einer Stiftung noch 189.000 Überlebende des nationalsozialistischen Massenmordes. Fast 40 Prozent von ihnen seien auf finanzielle Unterstützung angewiesen, berichtete der israelische Rundfunk. Etwa ein Viertel von ihnen kann sich nach eigenen Angaben demnach keine Medikamente leisten. 

Angst um Sicherheit

Viele Überlebende machen sich angesichts von Anschlägen auch Sorgen um ihre Sicherheit. "Im hohen Alter erneut mit dem tödlichen Hass des Antisemitismus konfrontiert zu werden, erschüttert die Überlebenden zutiefst", sagte Christoph Heubner, Vize-Exekutivpräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, der Deutschen Presse-Agentur.

Er forderte, die Vergangenheit nicht ruhen zu lassen, sondern weiter aufzuarbeiten. Für die junge Generation könnten neue, womöglich letzte NS-Prozesse eine gute Geschichtsstunde sein.

"Marsch der Lebenden" in Auschwitz

Auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz erinnerten rund 10.000 Menschen mit einem "Marsch der Lebenden" an die Holocaust-Opfer. Durch das berüchtigte Lagertor mit der zynischen Aufschrift "Arbeit macht frei" zogen sie am Holocaust-Gedenktag in das etwa drei Kilometer entfernte eigentliche Vernichtungslager Birkenau. 

Vor dem Holocaust-Denkmal wurde das jüdische Totengebet Kaddisch gelesen. Unter den Teilnehmern waren vor allem junge Juden, die aus 45 Ländern anreisten, sowie einige Überlebende des Holocaust. Auch polnische Schüler nahmen an der Gedenkveranstaltung teil. 

Appell an Brüderlichkeit

"Wir sind ein Volk, das zusammen gestorben ist, wir müssen nun lernen, zusammen in Brüderlichkeit zu leben", appellierte Oberrabbi Israel Meir Lau aus Tel Aviv an die Einheit der Juden. Der "Marsch der Lebenden" wird seit 1988 veranstaltet - als Gegenakzent zu den "Todesmärschen" der Nationalsozialisten.

"Angesichts des wachsenden Antisemitismus in Europa müssen wir uns 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs fragen, ob die Lektionen aus diesem schlimmen Kapitel der Geschichte wirklich gelernt wurden", sagte Shmuel Rosenman von den Organisatoren des Marsches. In Auschwitz-Birkenau, dem größten der deutschen NS-Vernichtungslager, wurden etwa 1,1 Millionen Häftlinge ermordet, die meisten davon waren Juden.

Netanjahu verbindet Gedenken mit Warnung

In Israel hatte es bereits am Mittwochabend es eine Zeremonie in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gegeben. Dabei hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Iran mit dem NS-Regime verglichen. "So wie die Nazis danach strebten, die Zivilisation zu vernichten und die Juden zu vernichten, so strebt auch der Iran nach Kontrolle über die Region, mit der ausdrücklichen Absicht, den jüdischen Staat auszulöschen."

Auch zu NS-Zeiten habe die Welt Warnungen ignoriert und auf einen Kompromiss gesetzt. Doch der Wunsch nach einer friedlichen Einigung habe sechs Millionen Juden das Leben gekostet. Netanjahu warnte erneut vor einer Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran. Israel versucht derzeit, einen Atom-Deal, den der Iran mit den UN-Vetomächten und Deutschland (5+1) aushandeln könnte, zu stoppen. Der Iran und die 5+1-Staaten hatten sich in Lausanne in einem Rahmenabkommen auf Begrenzungen sowie Überwachungsmechanismen des Atomprogramms geeinigt. Eine endgültige Vereinbarung soll bis Ende Juni stehen. Im Gegenzug sollen Sanktionen aufgehoben werden. Der Westen will sicherstellen, dass der Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangt.


Quelle:
dpa