domradio.de: In einem halben Jahr werden Bischöfe aus aller Welt in Rom zur Bischofssynode zusammenkommen – zu den Themen Ehe und Familie. Aus dem Fragebogen des Vatikans zur Synode wird deutlich: Es besteht weiterhin eine große Kluft zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben der Menschen. Und Sie sagen: Die Menschen erwarten jetzt Ergebnisse von der Synode. Woran machen Sie das fest?
Heiner Koch (Bischof von Dresden und Meißen, Familienbischof der Deutschen Bischofskonferenz): Sicherlich haben sich bei dieser Umfrage zahlenmäßig weniger Gruppen und Personen beteiligt. Die, die sich beteiligt haben, in einem sicherlich nicht sehr einfach formulierten Fragebogen, haben sich aber sehr engagiert darauf eingelassen und sind auch in die Tiefe gegangen. Von daher merkt man, dass die, die sich jetzt noch an diesem Gespräch beteiligen, jetzt auch hohe Erwartungen haben, dass mit ihren Mühen auch sorgsam umgegangen wird und dass es dann auch zu Ergebnissen kommt.
domradio.de: Das heißt, viele erwarten Verbesserungen. Muss dann im Oktober auch wirklich was passieren oder haben Sie im Umkehrschluss Angst vor vielen, die sich sonst von der Kirche abwenden könnten?
Koch: Die Synode ist kein Beschlussgremium, sondern ein Beratungsgremium. Danach wird sich der Heilige Vater überlegen, was er mit den dort vorgetragenen Überlegungen macht und wahrscheinlich wie üblich ein nach-synodales Schreiben verfassen. Das Zweite ist: Natürlich stehen große Fragen an. Aber diese Fragen und auch die Antworten, die darauf erwartet werden, sind weltweit unterschiedlich.
domradio.de: Bei der letzten Synode im Oktober wurde schon fleißig diskutiert. Von Vertretern, die vor Veränderungen warnen, ist zu hören: Reformen an der Lehre würden die Gläubigen verwirren. In der Realität ist aber schon viel von der katholischen Lehre in diesen Fragen zusammengebrochen. Greift dieses Argument also nicht?
Koch: Natürlich ist diese Diskrepanz evident. Auch deshalb, weil die kirchliche Lehre – wie auch manche Positionen der Gläubigen – nicht verstanden wird. Wir haben mit Sicherheit ein beidseitiges Kommunikationsproblem. Deshalb müssen wir noch sehr viel Gehirnschmalz darauf verwenden, wie wir die Begriffe, die Klärung und die Aussagen verständlich machen. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen: Das Wort "Ehe" hat in unserer Gesellschaft inzwischen eine deutlich andere Bedeutung als im kirchlichen Zusammenhang. Der zweite wichtige Punkt ist: Die Dramatik dieser Synode liegt darin, dass inzwischen viele in die Tiefe gehende Fragen angesprochen wurden. Ohne sich auf diese Grundfragen zu besinnen, wird es keine befriedigende Antwort geben. Plötzlich sind wirklich fundamentale Fragen auf dem Tisch – etwa zum Sakramentenverständnis und zur Offenbarungswirklichkeit. Ohne eine Klärung dieser Fragen werden wir auch zu konkreten Fragen zur Familie nur relative, kurzatmige Lösungen finden, die letztlich keine Lösungen sind.
domradio.de: Der ausgegebene Fragebogen wurde kritisiert, weil er vielen zu kompliziert und zu schwer verständlich war. Haben Sie die Hoffnung, dass dieses nachsynodale Schreiben dann leichter formuliert wird.
Koch: Leicht formuliert heißt ja nicht, dass es nicht tief ist. Aber in der Sprache muss es so formuliert werden, dass der Adressat – und das sind die Menschen – es versteht. Ich sehe allerdings eine Schwierigkeit: Adressaten sind die Menschen in der ganzen Welt und auch unser Sprachduktus hier in Deutschland ist ja nicht maßgebend für alle Völker. Das ist eine große Herausforderung. Bei ähnlichen Anlässen in der Vergangenheit sind wir gut damit gefahren, dass Personen wie Journalisten, die eine solche Versammlung begleitet haben, auch an den Schlussformulierungen mitgearbeitet haben. Ich halte es für ganz wichtig, dass wir nicht nur darauf achten, was wir sagen, sondern auch, wie wir es sagen.
domradio.de: Und wie würden Sie sich das konkret vorstellen?
Koch: Diese Frage kann ich nicht generell beantworten. Das hängt natürlich zunächst von den Inhalten ab und davon, sich die Aufgabe zu stellen, diese Inhalte zu transportieren. Das wiederum wird auch eine große Aufgabe der nationalen Bischofskonferenzen sein. Denn wir können in Deutschland nicht genauso reden wie in Indien. Auch wenn die Inhalte die gleichen sind.
domradio.de: Haben Sie auch ein bißchen die Befürchtung, dass es vielen einfach egal ist, was die kirchliche Lehre sagt. Dass man das Leben einfach so lebt, wie man möchte?
Koch: Natürlich sind die zunehmende Individualisierung und die Ablehnung einer Großinstitution eklatant. Vor diesem Hintergrund sind wir gut beraten, wenn wir in unserer inneren Begründung verdeutlichen, dass wir etwas nicht nur als Institution sagen. Vielmehr müssen wir klar machen, dass diese Äußerungen auf der Grundlage des Evangeliums lebensbedeutsam sind und das Evangelium ein Schritt Hilfe zum ewigen Leben ist. Angesichts der großen Erwartungen an diese Synode, die ich auch bei meinen Auslandsreisen jetzt erlebt habe, wird man aber nicht sagen können, dass daran kein Interesse besteht. Ich glaube vielmehr, dass es ein Mega-Ereignis wird. Die Leute werden im Oktober zunächst auf die Synode und dann auf den Heiligen Vater schauen. Das Interesse scheint mir riesig groß zu sein – auch außerkirchlich. Das liegt unter anderem daran, dass im Bezug auf diese Fragen auch gesellschaftlich vieles unklar ist. Es geht von Sexualität über Verbindlichkeit bis hin zu Fragen zu Familie oder des alten Menschen in der Familie. Denken Sie nur an die Diskussion um den assistierten Suizid. Was ist denn im Bezug auf diese Fragen noch klar? Ich glaube schon, dass man hier eine erhellende und auch erklärende Stimme der Kirche erwartet.
domradio.de: Dieses "Mega-Ereignis" startet in sechs Monaten. Sie fordern eine gute Vorbereitung. Wie muss die aussehen?
Koch: Wir müssen in die Tiefe gehen. Die Probleme und theologischen Fragen, die ja eklatant vorliegen, müssen eigentlich schon vorgedacht werden. Verdenken heißt ja nicht, dass Ergebnisse vorweggenommen werden, aber zu diskutierende Punkte müssen wirklich ins Auge gefasst werden. Ich fände es gut, wenn in der Vorbereitung Vertreter unterschiedlicher Positionen an einem Tisch sitzen und sich darüber Gedanken machen. Ich hoffe, dass das geschieht. Ich weiß es nicht.
Das Interview führte Matthias Friebe.