EU-Bürger müssen Plastiktüten-Verbrauch verringern

Einkauf auch lose und unverpackt möglich

EU-Bürger müssen ihren Verbrauch an Plastiktüten künftig einschränken. Das EU-Parlament stimmte am Dienstag in Straßburg einem entsprechenden Gesetzentwurf zu.

Autor/in:
Maike Müller
Plastiktüten verschmutzen die Umwelt (dpa)
Plastiktüten verschmutzen die Umwelt / ( dpa )

Dieser sieht vor, dass jeder Bürger bis 2019 durchschnittlich weniger als 90 Tüten pro Jahr verbrauchen darf, bis 2025 sollen es weniger als 40 Tüten im Jahr sein. Deutschland lag bisher mit 64 Einwegbeuteln unter dem EU-Durchschnitt.

Zudem dürfen dem Gesetzentwurf zufolge ab 2018 Tragetaschen nicht mehr kostenlos herausgegeben werden. 2010 verbrauchte jeder EU-Bürger pro Jahr durchschnittlich 198 Plastiktüten; mehr als acht Millionen Tüten werden jährlich weggeworfen. Umweltschützern zufolge stellt Plastikmüll eine vermeidbare Umweltbelastung dar. Plastik mache einen Großteil des Mülls aus, der die Weltmeere verschmutze und das Ökosystem bedrohe.

Einkaufen ohne Plastiktüten möglich

Für die Vermeidung von Plastikmüll beim Lebensmitteleinkauf gibt es bereits Vorbilder. In einem Laden in Bonn kann man Nudeln, Reis oder Kaffee ohne Plastikverpackung kaufen.

Es knistert eine Papiertüte, dann hört man Nüsse aus dem großen Spender hineinrasseln. Im Holzregal liegen nebeneinander Äpfel, Kohl und Rüben. Im ersten verpackungsfreien Laden Nordrhein-Westfalens können die Kunden in Bonn Reis, Nudeln oder Müsli in mitgebrachte Dosen abfüllen. Eine einfache Möglichkeit, Verpackungsmüll zu vermeiden. Das Prinzip findet Anklang. Nach einmaligen "Event-Einkäufern" am Anfang hat sich "Freikost Deinet" inzwischen eine Stammkundschaft aufgebaut.

Waren in mitgebrachte Gefäße abfüllen

Hilke Deinet hat schon lange nach Wegen gesucht, Verpackungen zu reduzieren. "Besonders im Trockenmittelbereich, also bei Reis, Nudeln, Hülsenfrüchten, ist es im Supermarkt schwierig, ohne Plastik einzukaufen", erklärt die gelernte Hotelfachfrau und Geografin mit Schwerpunkt Umweltschutzforschung. In ihrem Geschäft ist das anders: Alles außer Fleischwaren kann in selbst mitgebrachten Gefäßen mit nach Hause genommen werden.

Stammkundenkreis wächst

Die leere Dose wiegen, abfüllen, noch mal wiegen. Da dauert alles etwas länger als an der Supermarktkasse. Doch seit der Eröffnung im Mai 2014 wächst der Kreis an Stammkunden, die den erhöhten Zeitaufwand in Kauf nehmen. "Klar, am Anfang gab es viele Schaulustige. Aber inzwischen haben wir Kunden, die immer wieder kommen", erzählt die junge Geschäftsführerin. Einige nehmen sogar weite Wege auf sich und kaufen einmal im Monat einen größeren Vorrat ein.

Damit wirkt der Laden mit dem kleinen integrierten Café nicht nur äußerlich wie ein Tante-Emma-Laden aus einer anderen Zeit. "Der persönliche Kontakt ist uns wichtig. Wir wollen ein Kommunikationspunkt werden", hofft Deinet. Dazu gehöre auch der Austausch über sozialkritische Themen. An der Glastür am Eingang weist ein Zeitungsartikel auf Massentierhaltung hin. "Was wir hier machen, tun wir aus Überzeugung. Und das ist auch ein politisches Statement."

Faire Preise für die Erzeuger

Geschäftsführerin Deinet und ihr Mann Tim möchten auch ein Stück Bildungsarbeit leisten. Sie bezeichnet sich selbst als "Supermarktkind". "Wenn man nicht vom Land kommt oder ein Feld in der Nähe ist, weiß man gar nicht, welche Pflanzen wann wachsen und wie man sie zubereitet." Auch im Einkauf der Produkte geht "Freikost" einen Schritt über einen normalen Bio-Laden hinaus. Die Geschäftsführer beziehen ihre Waren direkt vom Erzeuger. "Wir verstehen es als fairen Handel, wenn wir die Produkte direkt beim Hersteller einkaufen. Faire Preise für unsere Erzeuger vor Ort ist unser Motto", erklärt Deinet.

Mit dem verpackungsfreien Prinzip verändere sich auch das Konsumverhalten der Kunden. "Die Menschen, die hier einkaufen, machen sich vorher Gedanken, was und wie viel sie brauchen. Viele bringen ihre beschrifteten Dosen direkt aus der Küche mit", erklärt die Geschäftsführerin. Und mit der Verpackung geht auch die Fläche für Werbung verloren. Studien zufolge wird ein Großteil der Kaufentscheidungen erst im Supermarkt getroffen. Der Fokus liegt wieder auf dem Produkt selbst.

Freikostläden auch in Berlin und Kiel

"Freikost" in Bonn ist kein Einzelphänomen. Anfang 2014 eröffneten auch in Berlin und Kiel verpackungsfreie Lebensmittelgeschäfte. Als die Deinets zwei Jahre vor der Eröffnung mit der konkreten Planung anfingen, habe es bereits Anzeichen gegeben, dass sich in Deutschland ein neues Bewusstsein für Nahrung und Umweltschutz entwickele, so Deinet. Dennoch sei die zeitgleiche Eröffnung der Geschäfte in Bonn, Berlin und Kiel ein Zufall. "Vielleicht haben wir ja den Anstoß für einen Trend gegeben."

 


Quelle:
KNA