domradio.de: Freuen Sie sich über die Neuigkeiten aus Würzburg, dass mögliche Reformen angestoßen werden?
Tim Kurzbach (Vorsitzender des Diözesanrates im Erzbistum Köln): Ja, das ist schon einmal ein gutes Zeichen. Mehr wissen wir allerdings auch noch nicht. Es soll eine Zweidrittel-Mehrheit geben für eine Liberalisierung, aber in welche Richtung das geht, das hängt von den Beschlüssen in dieser Woche ab.
domradio.de: Warum sind die Reformen denn notwendig?
Kurzbach: Wir haben im Rahmen unseres Dialogprozesses sehr lange über die Situation der Kirche in der Gesellschaft diskutiert und sind der Meinung, dass sich Gesellschaft genau so wie Kirche wandelt und wir mit dem Thema des Scheiterns von Beziehungen positiver umgehen müssen als wir das mit den bisherigen Bestimmungen tun.
domradio.de: Aber ist nicht die Position auch nachvollziehbar, dass für Mitarbeiter der Kirche eben besondere Regeln gelten müssen?
Kurzbach: Die Pauschalisierung stimmt eben aus unserer Sicht nicht mehr, also dass es Mitarbeiter gibt, die sehr nah an der Glaubensverkündigung sind und deswegen auch authentisch das leben sollen und müssen, was verkündet wird - das ist ja richtig, aber was hat das mit der Krankenschwester oder mit der Reinigungskraft oder dem Hausmeister zu tun? Da dürfen wir durchaus die einzelne Lebenssituation des Menschen noch einmal mehr in den Fokus rücken und wir dürfen auch die frohe Botschaft von Barmherzigkeit authentischer als Arbeitgeber verkünden.
domradio.de: Sie sehen also Unterschiede zwischen leitenden Mitarbeitern wie einer Kindergartenleiterin oder einem Chefarzt und Mitarbeitern, die in hervorgehobenen Positionen arbeiten?
Kurzbach: Das hat für mich weniger mit der Leitungsfunktion zu tun, sondern eher mit der Nähe am Verkündungsauftrag. Natürlich ist jemand, der unmittelbar in die Verkündung der frohen Botschaft in der Gemeinde eingebunden ist, auch eher an diese Loyalitätspflicht gebunden - aber das es jemand macht, der eine hervorragende Arbeit in einem Krankenhaus oder Altenheim leistet, da sehe ich schon Unterschiede.
domradio.de: Die Menschen, die sich für eine Beibehaltung des Arbeitrechts aussprechen, sagen ja, dass egal ob ein Verkündigungsauftrag, eine Leitungsfunktion besteht, man immer Vorbild ist für die Kirche. Würden Sie das nicht unterschreiben?
Kurzbach: Wissen Sie das Vorbildhafteste, was unsere Kirche leben kann, ist doch jeden einzelnen Menschen, so zu wertschätzen als Bruder und Schwester in der Lebenssituation, in der er oder sie steht . Es gibt dann halt die Situation, dass Beziehungen trotz allen ernsthaften Bemühungen auch scheitern können. Deswegen müssen wir aber nicht den ganzen Menschen direkt als sündig abstempeln, sondern wir dürfen uns ihm wirklich nähern als Bruder und Schwester. Das sollte die Haltung der Kirche als Grundhaltung sein.
domradio.de: Wie sollte die Kirche denn Ihrer Meinung nach konkret umgehen mit Menschen, die nicht in jedem Punkt nach den kirchlichen Moralvorstellungen leben?
Kurzbach: Beim Thema wiederverheiratete Geschiedene sind wir der Meinung, dass es eben kein schwerwiegender Grund mehr ist für eine Kündigung. Das Bundesverfassungsgericht hat das ja auch so schon rein rechtlich bestätigt und die Bischöfe offensichtlich auch.
Es wird für die Arbeitgeberin Kirche ein Problem werden, noch geeignetes Personal zu finden, wenn sie sich hier nicht verändert, weil sich die Gesellschaft verändert hat. Wir können nicht auf unserer Insel zurückbleiben und darauf hoffen, dass alle sich so ändern, wie wir es haben wollen, sondern wir werden auch als Teil der Gesellschaft uns mitwandeln müssen.
domradio.de: Bei den Beratungen der Bischöfe in Würzburg sind diese Reformen angestoßen worden. Es wird noch an Einzelheiten und Änderungsanträgen gearbeitet. Was glauben Sie, was wird am Ende für eine Erklärung stehen?
Kurzbach: Da kann ich nicht spekulieren und ich habe auch keinerlei Informationen. Ich bin Vorsitzender des Diözesanrates und wir haben uns in diesem intensiven Prozess, wo mehrere Tausend Menschen miteinander diskutiert haben und wir nachher den Beschluss "Mut zum Handeln" gefasst haben, haben wir unsere Haltung klargelegt als getaufte und gefirmte Christinnen und Christen. Wir wollen eine Reform der Grundordnung, um Menschen auch in ihrem Scheitern einen festen Platz gleichberechtigt in unserer Kirche zu geben.
Das Interview führte Matthias Friebe.