domradio.de: Herr Teplan, Sie sind gerade zurück aus der Bergregion Gorkha, nicht weit weg vom Epizentrum. Wie haben Sie die Situation in den abgeschiedenen Bergdörfern erlebt?
Stefan Teplan von Caritas International: Die Situation dort war für mich sehr erschütternd im Vergleich zu der Situation in der Hauptstadt Kathmandu. In Kathmandu waren die Zerstörungen sehr punktuell verteilt, immer da und dort ein zerstörtes Haus, dann gab es Gegenden, wo sehr viel intakt war. In diesen Bergdörfern dagegen habe ich Dörfer gesehen, die wirklich zu 90 - 100 Prozent zerstört waren. Es variiert sehr von Dorf zu Dorf. Sehr erschütternd ist natürlich das Leid der Menschen. Ich habe mit sehr vielen Menschen dort gesprochen und ihre Klagen gehört und daher nimmt die Caritas sich dieser Menschen sofort an und hat auch sofort begonnen, Verteilaktionen durchzuführen.
domradio.de: Was brauchen die Leute am dringendsten?
Teplan: Erstaunlicherweise zunächst nicht Lebensmittel oder Trinkwasser, wie wir das sonst aus Katastrophengebieten kennen. Damit sind sie derzeit noch relativ gut versorgt. So gut wie alle Menschen haben nach Zeltplanen nachgefragt. Sie müssen sich vorstellen, alle Menschen campen dort im Freien ohne ein Dach über dem Kopf, sind nachts der Kälte ausgesetzt, tagsüber dem immer wieder einsetzenden Regen und vor allem befürchten sie den Monsun, der Mitte Juni bis Ende Juni hier einsetzen soll. Wir haben einen Tag danach begonnen in diesen Bergregionen Zeltplanen zu verteilen und sind immer noch dabei.
domradio.de: Wir hören, dass die Stimmung in den Unglücksgebieten immer aggressiver wird. Was bekommen Sie davon mit?
Teplan: Ich habe schon einige Klagen mitbekommen, auch in Kathmandu sind Klagen laut geworden, dass die Regierung von Nepal nicht oder zu wenig hilft. In diese Bergregionen ist vorher noch keine Hilfe vorgedrungen. Sie haben uns, möchte ich sagen, wie die Engel empfangen, dass endlich nach Tagen, die nach diesem Erdbeben vergangen sind, jemand da ist. Natürlich äußern sie auch Unmut, wieso vorher nicht geholfen wurde.
domradio.de: Sie sind gerade noch in der Phase der Nothilfe. Wie lange wird Caritas International vor Ort sein?
Teplan: Wir rechnen mit mehreren Jahren, wir haben Erfahrungen in solchen Katastrophenfällen, vorallem die psychosoziale Hilfe, die sehr notwendig ist, weil sehr viele Menschen sehr traumatisiert sind und das Wiederaufbauprogramm werden Jahre dauern. Wir werden in drei Phasen vorgehen: zunächst müssen wir Zeltplanen dringend vor dem Monsun für die Menschen bringen, dann werden wir stabilere Notunterkünfte bauen und gleichzeitig beginnt ein Wiederaufbau der Häuser, die die Menschen verloren haben. Das dauert erfahrungsgemäß mehrere Jahre.
Das Interview führte Hilde Regeniter.