domradio.de: Erzieherinnen-Alltag vor zehn oder 20 Jahren und Erzieherinnen-Alltag heute im Jahr 2015. Was sind die Unterschiede?
Andrea Born-Mordenti (Schulleiterin des Erzbischöflichen Berufskollegs Köln): Das ist fast eine andere Welt. Erzieher haben heute ein sehr komplexes Feld zu bewältigen, im Gegensatz zu Erziehern vor 10, 15 oder 20 Jahren. Die konnten damals in sehr übersichtlichen Situationen handeln. Das ist heute nicht mehr gegeben. Wir haben viele Kinder mit Migrationshintergrund. Wir arbeiten mit Inklusion. Wir arbeiten mit Blick auf die Grundschule. Sprachförderung, soziales Verhalten und eine sehr intensive Elternarbeit sind weitere Themen. Das sind ein paar Schlagworte, die zeigen, wie komplex das Arbeitsfeld der Erzieherin und des Erziehers geworden ist. Dem kann man nur mit einer professionellen Haltung gerecht werden.
domradio.de: Der Kindergarten endet auch nicht mehr mittags...
Born-Mordenti: Richtig, die Arbeitszeiten haben sich auch geändert. Erzieher sind im Grunde rund um die Uhr im Einsatz. Es ist nicht mehr so, dass die Kinder um die Mittagszeit nach Hause gehen.
Hinzu kommt noch der U3-Bereich, den es früher nicht gab. In der Ausbildung der Erzieherinnen spielt der jetzt auch eine Rolle.
domradio.de: In den katholischen Kitas darf aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht gestreikt werden, aber die Bezahlung dort richtet sich nach den Tarifen in den kommunalen Kitas. Was verdienen Erzieherinnen und Erzieher - ungefähr natürlich?
Born-Mordenti: Im Durchschnitt sind es 2590 Euro brutto für Berufsanfänger. Und obwohl es 2009 eine Verbesserung gab, ist die Bezahlung immer noch nicht optimal. Man muss auch bedenken, dass 60 Prozent unserer Erzieher in Teilzeitverträgen arbeiten. Die Bezahlung ist immer noch nicht ausreichend. Wenn ich mal über den Tellerrand schaue, beispielsweise nach Schweden, in die Schweiz oder nach Frankreich: Dort orientieren sich die Gehälter auch an denen derjenigen, die in der Grundschule arbeiten. Das ist in Deutschland nicht der Fall.
domradio.de: Das heißt, das Bedürfnis zu streiken, können Sie gut nachvollziehen?
Born-Mordenti: Absolut. Das ist ein gerechtfertigter Streik. Es ist zwar schon einiges erzielt worden, das reicht aber noch nicht aus. Erzieherinnen müssen in unserer Gesellschaft eine höhere Anerkennung bekommen. Ich habe gestern Abend noch gehört, wie Sigmar Gabriel behauptete, wenn Männer vermehrt in Kitas oder Pflegeberufen arbeiten würden, sähen die Gehälter besser aus. Ich glaube, da ist auch etwas dran.
domradio.de: Bei allem Verständnis für den Streik: Viele Eltern sind in Not, wenn sie arbeiten müssen und keine gute Betreuung für ihre Kinder haben. Fänden Sie es eine gute Idee, wenn katholische Kitas die Kinder der alleinerziehenden Mutter für ein paar Tage mitbetreuen - also in speziellen Notfällen aushelfen?
Born-Mordenti: Das ist sicher eine gute Idee. Ich selbst weiß, wie viele Mütter und Familien in Not geraten, weil die Großeltern nicht in Reichweite sind. Das wäre ein innovativer Punkt, wo wir uns neu positionieren könnten.
Die Fragen stellte Susanne Becker-Huberti.