domradio.de: So richtig wurde der so genannte Islamische Staat noch nicht zurück gedrängt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Rudi Löffelsend (Irak-Beauftragter, Caritasverband Essen): Der IS hat eine komplett andere Taktik als man das normalerweise beim Militär gewohnt ist. Die Kämpfer des IS wollen sterben und so verhalten sie sich auch - als Selbstmordattentäter zum Beispiel. Bei einer regulären Armee ist eben genau das Gegenteil der Fall. Dazu kommt die Propaganda, die der IS ja sehr erfolgreich in den neuen Medien verbreitet, zum Beispiel mit Videos auf Youtube mit Hinrichtungen. Das verwirrt und verängstigt. Und wenn die Gegenarmee nicht sehr stabil ist - was bei der irakischen Armee der Fall ist - kommt es auf Seite des IS zu großen Gewinnen.
domradio.de: Wenn wir in den Irak schauen, in die kurdische Region, wo Sie auch waren: Wie funktioniert der Alltag dort?
Löffelsend: Kurdistan gilt im Vergleich zum Rest vom Irak als relativ sicher. Das liegt daran, dass die kurdischen Peshmerga-Kämpfer aus ihrer Geschichte heraus kampferprobt sind. Aber Kurdistan ist ja kein großes Gebiet. Das ist ungefähr anderthalb Mal so groß wie Hessen und hat viereinhalb Millionen Einwohner und 1,8 Millionen Flüchtlinge. Rund 200 000 Flüchtlinge aus Syrien sind da, meist kurdische Syrer. Außerdem etwa 150 000 Christen aus Mossul und der Umgebung. Und schließlich sehr viele arabische Flüchtlinge aus Zentral-Irak, die in letzter Zeit aus Falludscha, Tikrit und so weiter geflüchtet sind. Das bedeutet, dass es in den kurdischen Gebieten keinen normalen Alltag mehr gibt, weil die Versorgung der Flüchtlinge extrem belastend ist.
domradio.de: Was glauben Sie, in welche Richtung wird die Strategie der internationalen IS-Koalition gehen?
Löffelsend: Ich habe da relativ wenig Hoffnung, dass es eine vernünftige Lösung geben wird. Nach wie vor ist ja kein Staat bereit, Bodentruppen einzusetzen. Den Luftangriffen ist der IS effektiv begegnet, indem er nicht mehr in großen Konvois fährt und sich besser tarnt. Ich bin ziemlich sicher, dass die Konferenz keine einheitliche Strategie erarbeiten wird. Da steht auch die Türkei dagegen. Ich halte die ganze Situation nach wie vor für den gesamten Nahen Osten für brandgefährlich.
domradio.de: Was muss denn Ihrer Meinung nach passieren, damit sich etwas bessert?
Löffelsend: Als erstes müsste man die Türkei disziplinieren, zweitens müsste man die Golfstaaten disziplinieren. Die Golfstaaten helfen dem IS nach wie vor indirekt - auch wenn sie es nicht zugeben. Deshalb sehe ich keine Lösung.
Die Fragen stellte Christian Schlegel.