Wenn er sich jedoch etwa zum Klimawandel oder zur Atomenergie äußern will, ist er zwangsläufig stark auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen. Hierbei muss er darauf vertrauen können, dass die Forschungsergebnisse gesichert sind - und nicht in wenigen Monaten oder Jahren schon überholt sein werden.
Ökologie nur unbestimmt planbar
Franziskus selbst hat auf dies Problematik aufmerksam gemacht: Es bestehe bei der Umweltenzyklika das grundsätzliche Problem, dass man über die Ökologie "nur bis zu einem bestimmten Punkt mit einer gewissen Sicherheit sprechen" könne, erklärte der Papst im August 2014 auf dem Rückflug von Seoul nach Rom. Wenn man über diesen Punkt hinausgehe, begebe man sich in den Bereich wissenschaftlicher Hypothesen. Davon seien einige sehr gesichert, andere weniger. "In einer Enzyklika mit lehramtlichem Charakter kann man nur mit den sicheren Fakten vorgehen", so Franziskus.
Es entspricht vatikanischer Tradition, zu "technischen Fragen" nicht in verbindlicher Weise Stellung zu nehmen. So äußerte sich zuletzt auch Benedikt XVI. 2009 in seiner Enzyklika "Caritas in veritate", in der er auch ökologische Themen behandelte. Darin sieht der Münchner Sozialethiker Markus Vogt auch einen möglichen Grund dafür, dass Benedikt XVI. den Klimawandel nicht ausdrücklich thematisierte.
Vatikan in "technischen Fragen" neutral
Franziskus will mit seiner Enzyklika aber ausdrücklich einen Beitrag zur Ende November beginnenden Weltklimakonferenz in Paris leisten. Was als "technische Frage" betrachtet wird, kann jedoch durchaus einem Wandel unterliegen. Ein Paradebeispiel stammt aus der Politik: Der Vatikan hat bis zum Zweiten Weltkrieg grundsätzlich die Demokratie nicht gegenüber anderen Staatsformen bevorzugt; er war in dieser Frage neutral. Erst unter dem Eindruck der Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Verbrechen der nationalsozialistischen und der stalinistischen Diktatur änderte sich dies.
Daraus ergibt sich die Frage, welche Verbindlichkeit konkrete Aussagen einer Enzyklika zum Umweltschutz haben können. Dies gilt umso mehr, als konservative Kreise in den USA die Enzyklika schon vor ihrem Erscheinen kritisiert haben. Womöglich könnten sie auch deren Verbindlichkeit in Frage stellen - angenommen etwa, der Papst würde in seinem Schreiben den Ausstieg aus der Kernenergie fordern.
Katholiken sind Inhalt von Enzykliken Gehorsam schuldig
Grundsätzlich gilt: Enzykliken sind Ausdruck der obersten Lehrgewalt des Papstes. Jeder Katholik ist ihnen Gehorsam schuldig, auch wenn sie formal keine unfehlbaren Lehrentscheidungen darstellen. Der Grad der Verbindlichkeit hängt allerdings nach traditioneller Lehre davon ab, worum es geht: Es ist etwas Anderes, ob sich der Papst zur Dreifaltigkeit Gottes äußert oder über Kernenergie. Im ersten Fall ist von jedem Katholiken der sogenannte Glaubensgehorsam gefordert.
Das ist die höchste und absolut verpflichtende Stufe des Gehorsams. Davon unterscheiden Theologen den religiösen Gehorsam. Hier ist das Gewissen die letzte Instanz.
Bedeutsam wurde diese Unterscheidung etwa beim Verbot künstlicher Empfängnisverhütung in der Enzyklika "Humane vitae" von Paul VI. aus dem Jahr 1968. Damals erklärte die Deutsche Bischofskonferenz in der sogenannten Königsteiner Erklärung, diese Forderung verlange religiösen Gehorsam; die letzte Entscheidung bleibe aber dem Gewissen des Einzelnen vorbehalten. Auch diese Interpretation blieb allerdings nicht unwidersprochen.
Dafür, dass sich der Papst so dezidiert zur höchst umstrittenen Atomenergie äußern wird, gibt es allerdings keine Anzeichen. Bislang hat sich Franziskus nur in allgemeinerer Form zur Frage der Energieträger geäußert. Anders liegen die Dinge beim Klimawandel: Hier schlägt sich Franziskus dem Vernehmen nach auf die Seite der großen Mehrheit jener Forscher, die das Phänomen für nicht zum geringen Teil vom Menschen verursacht halten.