KNA: Was erwarten Sie von der Umweltenzyklika des Papstes?
Erbacher: Da Ökologie für Franziskus nicht nur Naturschutz ist, wird die Enzyklika viele Themen ansprechen - und das auch sicherlich an manchen Stellen in der für Franziskus typischen klaren Bildsprache. Die Wegwerfgesellschaft dürfte ebenso enthalten sein wie kritische Töne über Konsumismus und Kapitalismus. Diese Zusammenhänge deuten sich etwa auch in seinem Schreiben Evangelii gaudium an: "In diesem System, das dazu neigt, alles aufzusaugen, um den Nutzen zu steigern, ist alles Schwache wie die Umwelt wehrlos gegenüber den Interessen des vergötterten Marktes, die zur absoluten Regel werden."
KNA: Aus welcher Perspektive wird die Enzyklika verfasst sein?
Erbacher: Es wird eine Enzyklika, die sehr stark die Perspektive der Länder des Südens aufgreifen wird. Das wird für manchen Leser in Europa und Nordamerika gewöhnungsbedürftig sein. Ähnlich wie bei Evangelii gaudium erwarte ich eine breite Diskussion, die sich nicht nur auf die ersten Tage nach dem Erscheinen beschränken wird, sondern länger anhält. Denn ähnlich wie Franziskus innerkirchlich Vieles, was als selbstverständlich angesehen wird, infragestellt, so wird dies in dieser Enzyklika mit den Bereichen Wirtschaft und Gesellschaft sein. Dazu kommt, dass das Schreiben eine starke ökumenische und interreligiöse Komponente haben wird. Das hat Franziskus selbst angedeutet, als er auf das jahrzehntelange Umweltengagement des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. verwies, von dem er viel gelernt habe. Fragen der Ökologie machen nicht an Religionsgrenzen halt; das wird deutlich werden.
KNA: Was haben die Päpste bislang zum Umweltschutz gesagt?
Erbacher: Umweltschutz und Bewahrung der Schöpfung stehen seit langer Zeit auf der Agenda der Päpste. Allerdings ist Franziskus der erste, der das Thema in einer eigenen Enzyklika ausführlicher bearbeitet. Schon Johannes Paul II. hat beispielsweise in seiner Botschaft zum katholischen Weltfriedenstag 1990 einen Zusammenhang von Frieden und Bewahrung der Schöpfung hergestellt. Er forderte damals deutlich einen veränderten Lebensstil, um eine Lösung für die Folgen des Klimawandels zu finden, der nach Ansicht von Johannes Paul II. zu einem großen Teil von den Menschen verursacht ist.
Auch für Benedikt XVI. war klar, dass Friedensförderung und Bewahrung der Schöpfung zusammengehören. 2010 widmete er die Botschaft zum Weltfriedenstag dem Umweltschutz. Den Päpsten geht es einerseits immer um die Bewahrung der Schöpfung, weil sie als Ganze nach christlichem Verständnis Schöpfung Gottes ist. Andererseits ist der Lebensstil des Menschen im Blick - und damit auch das System von Wirtschaft und Gesellschaft. Wer die Umwelt schützt, muss auch den Menschen schützen. Das führt bei den Päpsten zu einer scharfen Kritik an kapitalistischen und konsumorientierten Systemen und Verhalten.
Sie fordern eine nachhaltige Entwicklung. Das ist also nicht neu; nur Franziskus wählt drastischere Bilder und Formulierungen. Damit bekommt das Ganze noch einmal eine besondere Radikalität.
KNA: Warum wurde Benedikt XVI. bisweilen auch der "grüne Papst" genannt?
Erbacher: In seiner Amtszeit wurden viele "grüne Projekte" im Vatikan umgesetzt. Auf dem Dach der Audienzhalle wurde eine Solaranlage errichtet, die Elektromobilität im Vatikan ausgebaut. Sehr oft hat er sich zum Thema Umwelt und Bewahrung der Schöpfung geäußert: bei Treffen mit Politikern, beim sonntäglichen Angelusgebet, in Predigten und Ansprachen. Meines Erachtens sogar öfter, als das etwa Franziskus in seinen ersten beiden Amtsjahren getan hat. In seiner Enzyklika "Caritas in veritate" widmete Benedikt XVI. 2009 mehrere Abschnitte der Umwelt.
KNA: Und was hat Franziskus bislang zum Umweltschutz gesagt?
Erbacher: Franziskus knüpft in Teilen an Benedikt XVI. an. "Die Ökologie des Menschen und die Ökologie der Umwelt gehen Hand in Hand", sagte er bei einer Generalaudienz wenige Monate nach seiner Wahl. Bereits in der Predigt zu seiner Amtseinführung machte er deutlich, dass der Name Franziskus für ihn ein umfassendes Programm bedeutet. Damals stellte er mit Berufung auf den Schöpfungsbericht und auf den heiligen Franz von Assisi fest: "Die Berufung zum Hüten [...] besteht darin, die gesamte Schöpfung, die Schönheit der Schöpfung zu bewahren. [...]
Sie besteht darin, Achtung zu haben vor jedem Geschöpf Gottes und vor der Umwelt, in der wir leben. Die Menschen zu hüten, sich um alle zu kümmern, um jeden Einzelnen, mit Liebe." Damit hängen für Franziskus Themen wie Umweltschutz, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufs engste zusammen. Die Sorge um den Nächsten und die Sorge um die Umwelt sind zwei Seiten einer Medaille. Für Franziskus ist beides eine moralische Verpflichtung. "Die Natur steht uns zur Verfügung, und wir sind berufen, sie verantwortlich zu verwalten", sagte er in seiner Weltfriedensbotschaft 2014.
Das Interview führte Thomas Jansen