domradio.de: Was ist passiert? Wie geht es den Verletzten?
Bruder Nikodemus: Ein Mönch hat das Feuer in der Nacht gegen drei Uhr entdeckt. Die Volontäre, sechs aus Deutschland und zwei aus den USA, und die Mönche haben das Feuer gemeinsam bekämpft, bis die Feuerwehr nach 20 Minuten angerückt ist. Ein 80-jähriger Mönch und eine 20-jährige Volontärin mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die junge Frau konnte mittlerweile wieder entlassen werden, der Mönch muss noch mit einer Kohlenmonoxid-Vergiftung im Krankenhaus bleiben.
Der Sachschaden ist enorm. Das gesamte südliche Atrium bis auf den Dachstuhl ist verbrannt. Im neu errichteten Kloster ist der komplette Empfangsraum weggebrannt. Die gesamte Klosterpforte auch. Es waren bis zu drei Meter hohe Flammen.
Es ist unvorstellbar, das Herz bleibt einem stehen, wenn man das sieht. Erst 2012 hatte der Kölner Kardinal Meisner unter großer Anteilnahme der Ortskirche das Kloster eingeweiht. Und jetzt nur noch Schutt und Asche, nicht mehr wiederzuerkennen. Ein gesamter Flügel fehlt!
domradio.de: Es gab auch ein Graffiti?
Bruder Nikodemus: Das macht die Sache so heikel. Es ist eine antichristliche Parole, auf hebräisch geschmiert, eine Art Bekennerschreiben. Es gab auch mehrere Brandherde. Es ist also eindeutig ein Brandanschlag. Das ist wirklich ein Angriff gegen Religionsfreiheit, Demokratie und Menschenrechte. Und es ist ein weiterer Anschlag gegen eine christliche Einrichtung. Erste Verdächtige wurden ja schon verhaftet.
domradio.de: Es ist also nicht der erste Anschlag?
Bruder Nikodemus: Nein, wir haben diese Anschläge leider immer wieder. In Tabgha gab es erst im letzten Jahr eine Verwüstung unserer Gottesdienstplätze am Seeufer. Am letzten Tag des Papstbesuches im vorigen Jahr hatten wir in unserem Hauptkloster in Jerusalem einen Brandanschlag. Wenn wir Mönche auf die Straße gehen, kommt es öfters vor, dass die Leute vor und hinter uns ausspucken. Auch diese antichristlichen Graffiti kommen immer wieder vor. Gewalt gegen Christen ist hier nichts Neues. Aber neu ist die Dimension. Diese Aggression, das ist ein neuer trauriger Höhepunkt. Es wurde billigend in Kauf genommen, dass Menschen hätten sterben können. Unfassbar.
domradio.de: Warum jetzt diese Eskalation der Gewalt?
Bruder Nikodemus: Das ist schwer zu sagen, ich bin da auch überfordert. Das ist jenseits meiner Logik und Vorstellungskraft, meines Menschseins und Hierseins. Tabgha ist ein Ort des Dialoges und der Begegnung. Es sind jüdische, christliche, muslimische und säkulare Behinderte aus Israel und Europa, die hier einfach bei uns entspannen können in diesem wunderschönen Gelände, das wir für die Menschheit bereithalten dürfen. Es ist ein Paradies. Viele Pilger schildern ihren Besuch hier als den Höhepunkt ihrer Heiliglandreise. Es ist wirklich ein Ort, der berühmt ist für seine Offenheit allen Menschen gegenüber. Ein Ort der offenen Herzen, auch für Menschen, die am Rande stehen. So einen Ort so brutal anzugreifen, das entzieht sich komplett meiner Empathiegabe. Wir hoffen nun wirklich auf eine schnelle Aufklärung.
domradio.de: Gibt es auch hoffnungsvolle Zeichen heute?
Bruder Nikodemus: Oh ja! Heute war eine gemeinsame Delegation der Deutschen Bischofskonferenz und der beiden Deutschen Rabbinerkonferenzen hier. Die hätten eigentlich ein Treffen mit dem deutschen Botschafter in Tel Aviv gehabt. Sie haben spontan ihr Treffen hierhin nach Tabgha verlegt. Das war ein starkes Zeichen: Hier vor den Ruinen standen die deutschen Bischöfe, deutsche Rabbiner und der deutsche Botschafter. Es waren auch Drusen, Muslime und Juden aus der Gegend hier. Unglaublich viele Menschen haben uns heute hier ihre Solidarität gezeigt. Sie haben gegen einen Missbrauch der Religion protestiert. Das hat auch sehr gut getan. Es gibt diesen Hass und diese Gewalt, aber es gibt auch viele solidarische Menschen, die an unserer Seite stehen und sagen: Gut dass ihr hier seid, bleibt hier! Es geht auch darum, dass eine gesunde Demokratie, und Israel ist meiner Meinung nach eine gesunde Demokratie, jetzt auch die Schritte einleitet, dass hier ein geschützter Ort ist, wo solche Dinge nicht mehr passieren dürfen. Darauf hoffe ich.
Das Interview führte Johannes Schröer.