Adveniat: Im Mittelpunkt der Papstreise stehen Ausgebeutete

Zu den Rändern

Mit seiner Südamerikareise will Papst Franziskus Menschen am Rande der Gesellschaft stärken, sagt Reiner Wilhelm vom katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Der Papst besucht ab Sonntag Ecuador, Bolivien und Paraguay.

Papst auf Reisen (dpa)
Papst auf Reisen / ( dpa )

domradio.de: Was ist die gemeinsame Überschrift dieser Papstreise?

Reiner Wilhelm (Länderreferent für Bolivien, Paraguay und Ecuador bei Adveniat, dem Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland): Ich würde die Überschrift wählen, es ist eine Reise an die Ränder und zwar an die Ränder der Ausgeschlossenen, der gesellschaftlich an den Rand Gedrängten.

domradio.de: Was ist besonders wichtig in Ecuador? Da hören wir ja auch gerade von Unruhen.

Wilhelm: Verschiedene politische Gruppen versuchen die Reise auszunutzen, denn Ecuador steht natürlich durch die Reise von Papst Franziskus im Mittelpunkt. Vor etwa vier Wochen versuchte Präsident Correa eine Gesetzesinitiative durchzubringen, nämlich die Erhöhung der Immobiliensteuer. Obwohl es eine Steuer gegen die Reichen ist, haben sich vor allem große Volksgruppen, die unzufrieden sind mit der Bundesregierung, zusammengeschlossen und diesen Anlass genommen, gegen die Regierung zu protestieren. Das hat sich hochgeschaukelt, so dass inzwischen mehrere Hunderttausend Menschen auf der Straße sind. Es geht wirklich darum, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Rücknahme dieser Steuer ganz zu erwirken. Der Präsident hat die Steuer bereits temporär zurückgestellt, aber ob sie dann irgendwann wieder kommt, ist die nächste Frage.

domradio.de: Ecuador ist die erste Station der Papstreise, Bolivien die zweite. Was Bolivien angeht, spekulieren die Medien schon, ob der Papst Koka kauen wird...

Wilhelm: Er wird es tun, denn es ist erstens üblich und zweitens eine sehr gute Medizin gegen die Höhe, gegen den sogenannten "Soroche", wo es Kreislaufschwierigkeiten gibt, wo man in der Regel Kopfschmerzen bekommt, kurzatmig ist. Der Papst hat ja von seiner frühesten Kindheit an ein Problem mit der Lunge und dann ist sicherlich auch angezeigt, dass er einen Kokatee trinkt und möglicherweise auch Kokablätter kaut.

domradio.de: Darüber wird in den Medien mit Sicherheit viel zu lesen sein. Was ist Ihnen als Experte aber wichtig in Bolivien?

Wilhelm: Die Beziehung zwischen Kirche und Staat ist ja nicht unbetrübt, nachdem Evo Morales, der erste indigene Präsident Lateinamerikas an die Macht gekommen ist, hat er versucht, den Einfluss der Kirche zurückzudrängen. Das ist nicht reibungslos passiert. 2009 gab es eine neue Verfassung, in der festgestellt wurde, dass Bolivien ein Vielvölkerstaat ist auch mit vielen Religionen. Damit ist die Vormachtstellung der katholischen Kirche eingeschränkt worden. Die Bischöfe und die Kirche haben sich dagegen gewehrt und das ging natürlich nicht ohne Reibungsverluste.

Ich habe in dieser Woche mit den Bischöfen Boliviens gesprochen und sie haben gesagt, die Situation hat sich erheblich verändert und die Beziehungen werden besser. Die Frage ist nur: Wird es dann auch nachhaltig sein.

domradio.de: Die Beziehung Staat-Kirche ist wichtig, worauf kommt es dem Papst in Paraguay an?

Wilhelm: Das ist eher eine Pastoralreise, wo er die Mutter Gottes, also die Volksfrömmigkeit sehr stark im Mittelpunkt steht. Die Mutter Gottes von Caacupé ist die Nationalheilige des Landes. Papst Franziskus Jorge Bergoglio verbindet eine lange Freundschaft mit diesem Volk, aber auch mit dieser Heiligen. Er hat sie nämlich kurz vor seinem Pontifikat noch nach Buenos Aires eingeladen und hat sie dort sehr stark verehrt. Insofern ist es ein Wiedersehen mit einer bekannten Muttergottes. Im Hintergrund steckt natürlich die ganz große Frage, für was steht diese Mutter Gottes: Sie steht für ein geschundenes Volk, das von seinen  Nachbarn immer ausgenutzt wurde.

Vor kurzem ist ja die Enzyklika des Papstes "Laudato si", die Umweltenzyklika erschienen. Sie ist ja eine ganzheitliche Enzyklika, wo es unter anderem auch um die Umwelt geht, aber im Mittelpunkt stehen natürlich die Armen, die Ausgebeuteten, denen das Land weggenommen wird, damit dort Soja angebaut wird, wie jetzt in Paraguay oder damit Kühe darauf weiden, damit andere gut Fleisch essen können, wo Holz abgeschlagen wird, die Urwälder verschwinden.

Das ist natürlich ein Thema, was in Paraguay sicherlich im Mittelpunkt stehen wird.

Das Interview führte Susanne Becker-Huberti


Quelle:
DR