Misereor warnt vor Folgen von "Landgrabbing" in Tansania

Stadt, Land, Schluss

Der Ankauf oder die Pacht großer Landflächen durch Konzerne wird in Afrika immer öfter zum Problem. Eine Studie des katholischen Hilfswerks Misereor nimmt jetzt die Situation in Tansania unter die Lupe.

Autor/in:
Joachim Heinz
Kinder in Tansania (dpa)
Kinder in Tansania / ( dpa )

Wenn Christian Mapunda zeigen will, wie das mit dem Investor in seinem Dorf gelaufen ist, führt er Besucher in den Busch. Abseits der Hauptstraße lagern haufenweise Lehmziegel - schätzungsweise 200.000 Stück. Gedacht waren sie unter anderem für eine Krankenstation und eine Schule. Geworden ist daraus nichts. "Der Investor hatte uns zugesichert, mit dem Bauen zu beginnen, sobald wir die Ziegel gebrannt hätten", erzählt Mapunda. Seither sei niemand mehr gekommen. Die Ziegel sind inzwischen unbrauchbar geworden, Gestrüpp wächst über die Arbeit von Wochen und Monaten.

Stattdessen standen auf den Ackerflächen, die das Dorf dem Investor im Gegenzug für seine Versprechen verpachtet hatte, plötzlich Zäune.

Einwohner erzählen, dass Wachmänner sie daran hinderten, die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen, die dort bestattet worden waren. Das Dorf, in dem sich all das abspielte, heißt Lutukira und liegt im Süden von Tansania - einem der ärmsten Länder Afrikas, das zugleich mit äußerst fruchtbaren Böden gesegnet ist. Eine Kombination, die offenbar immer mehr Spekulanten und Großkonzerne anzieht, wie eine neue Studie von Misereor nahelegt, die das katholische Hilfswerk am Montag in Aachen vorstellt.

Viele Firmen geben sich einen grünen Anstrich, um den Verdacht des "Landgrabbings", also der langfristigen Pacht oder des Ankaufs großer Agrarflächen auf Kosten der Bewohner vor Ort zu umgehen. Aber allzu oft klaffen Anspruch und Wirklichkeit, so wie in Lutukira, auseinander. Das ist laut Misereor auch bei der mit Unterstützung von führenden Wirtschaftsnationen, darunter Deutschland, 2010 ins Leben gerufene Initiative "Southern Agricultural Growth Corridor of Tanzania" (SAGCOT) der Fall.

Auf einem Gebiet von der Größe Italiens will die tansanische Regierung im Süden des Landes die Ansiedlung privater Unternehmen voranbringen, um die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern.

Gleichzeitig sollen Jobs geschaffen werden und die Anwohner der umliegenden Dörfer neue Verdienstmöglichkeiten erhalten.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Initiative kaum dazu geeignet ist, das Phänomen des "Landgrabbings" und damit einhergehende Verletzungen des Rechts auf Nahrung einzudämmen. "Eher sieht es so aus, als ob das Programm dazu führt, diese zu verstetigen und zu institutionalisieren." SAGCOT-Geschäftsführer Geoffrey Kirenga weist die Vorwürfe zurück.

"Wir wollen keine Inseln des Wohlstands in einem Meer von Armut schaffen." Vielmehr müssten sich alle der inzwischen 84 SAGCOT-Partner auf die drei Hauptziele verpflichten: die Nahrungsmittelsicherheit zu erhöhen, Kleinbauern mit einzubeziehen und umweltfreundlich zu produzieren.

Dagegen ist grundsätzlich erst einmal wenig einzuwenden, sind sich Experten und Menschenrechtler aus Tansania einig. Das Problem liege in der Umsetzung. Und da hakt es offenbar: Korruption vom Regierungsbeamten bis hinunter auf die Ebene der Dorfräte ist ein weit verbreitetes Übel. Es fehlt zudem an Anwälten, die im Ernstfall die Interessen der Geschädigten vertreten. Auf der anderen Seite stehen Großkonzerne mit ihren Rechtsabteilungen.

Der Soziologe und Mitautor der Studie, Benedict Mongula von der Universität Daressalam, befürchtet, dass sich die Konflikte um Landnutzung deswegen weiter zuspitzen. "Angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung weiter wächst, wird es langfristig einen Landmangel geben", so Mongula. "Wenn dann Hirten und Kleinbauern um die wenigen Ackerflächen kämpfen, die von den Investoren noch übrig gelassen wurden, werden wir ein Problem bekommen."

Schon jetzt verlassen viele junge Leute mangels Perspektive die Dörfer, um ihr Glück in den schnell wachsenden Städten zu suchen.

Konflikte sind da vorprogrammiert. In Lutukira hat der Investor, die Montara Continental Limited, es geschafft, das Dorf zu spalten. Der Dorfrat, dem Christian Mapunda angehört, steht massiv unter Druck. Ein Großteil der verpachteten Ackerfläche liegt unterdessen brach.

Offenbar will der Konzern, ein Tochterunternehmen des im Steuerparadies Guernsey registrierten Konzerns Obtala Resources, erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen. So wie über die Ziegel im Busch.

 


Quelle:
KNA