domradio: Was hat Sie denn an der Rhetorik von Herrn Söder gestört, dass Sie einen offenen Brief geschrieben haben?
Burkhard Hose (Hochschulpfarrer in Würzburg): Ich habe mich dazu entschieden, weil es nicht nur eine einmalige Äußerung und verbale Entgleisung für mich war, sondern weil es in den vergangenen Wochen gehäuft vorkam. Ich halte es für im wahrsten Sinne des Wortes für "brandgefährlich", wenn man immer wieder vom massenhaften Asylmissbrauch spricht. Herr Söder hat Vergleiche herangezogen, die für mich nicht akzeptabel sind. Er hat beispielsweise gesagt, es sei zukünftig wegen der hohen Ausgaben für Flüchtlinge zu befürchten, dass Schulen oder Konzertsäle in Bayern nicht mehr saniert werden könnten. Ich glaube, das heizt die Stimmung in einer Art und Weise an, die nicht mehr verantwortbar ist.
domradio: Haben Sie denn eine Antwort erhalten?
Burkhard Hose: Nein, ich habe keine Antwort von Staatsminister Söder erhalten. Ich habe ja auch die Form eines offenen Briefes gewählt. Aber ich habe sehr wohl Antworten aus der Öffentlichkeit, aus anderen Pfaden, auch aus der CSU heraus bekommen.
domradio: Welche Reaktionen haben Sie denn bekommen?
Burkhard Hose: Ich habe sehr viele positive Reaktionen von Menschen erhalten, die in unmittelbarem Kontakt zu Flüchtlingen stehen. Und ich habe Reaktionen von Flüchtlingen selbst bekommen, die ich auch kenne. Diese leiden unter der Situation. Sie spüren, dass sich die Atmosphäre im Augenblick wieder wandelt. Auch von vielen Ehrenamtlichen habe ich eine Resonanz erhalten. Diese sagen, für sie macht es das Arbeiten schwerer, wenn solche Töne aus der Politik kommen. Sie brauchen Stärkung, denn es gibt die Bereitschaft zur Solidarität in der Bevölkerung. Was jetzt gerade nicht gebraucht wird, ist eine soziale Neiddebatte und ein Anschüren von Fremdenhass. Vokabeln wie Asylmissbrauch und massenhafte Zuwanderung sind da nicht hilfreich.
domradio: Sie engagieren sich selbst in der Flüchtlingsarbeit. Inwiefern ist die Angst, die es ja offenbar in der Bevölkerung gibt, berechtigt? Auf welche Menschen treffen Sie da?
Burkhard Hose: Ich verstehe zum einen die Ängste, die da sind. Angst ist kein Fehler und kein Verbrechen. Aber Ängste sind dazu da, um abgebaut zu werden. Ich treffe tatsächlich auf Flüchtlinge, die aus unterschiedlichen Motiven zu uns kommen. Das habe ich auch in dem Brief an Herrn Söder geschrieben. Natürlich haben wir es im Augenblick mit vielen Menschen zu tun, die über das Asylrecht nach Deutschland kommen, die wir streng genommen eher als Einwanderer bezeichnen müssten. Für sie besteht nach dem geltenden Asylrecht kaum eine Chance, bei uns bleiben zu können. Was dabei aber trotzdem nicht hilft, ist eine Verunglimpfung aller Flüchtlinge, wie ich sie gerade im Augenblick durch die CSU und Herrn Söder erlebe. Wir brauchen ein neues und positives Zuwanderungsgesetz. Dem stellt sich nach meiner Beobachtung die CSU augenblicklich entgegen. Sie versucht die Frage, ob wir ein Einwanderungsland sind oder nicht, über eine Verschärfung des Asylrechts zu lösen. Die CSU und Herr Söder nicht noch nicht so weit. Die sagen, wir sind keine Einwanderungsgesellschaft. Aber wir sind es de facto doch. Diese Gesellschaft muss positiv gestaltet werden und nicht negativ über eine Verschärfung des Asylrechts. Ich verstehe sehr wohl die Ängste. Es gibt beide Gruppen. Es gibt Menschen, die schlicht ein besseres Leben wollen und als Zuwanderer zu uns kommen und es gibt andererseits politisch Verfolgte. Aber es ist meiner Meinung nach kein Verbrechen, ein besseres Leben zu suchen.
domradio: Sie sind ja Hochschulpfarrer an der Uni Würzburg und haben Kontakt zu gebildeten Menschen. Ist diese Stimmung, die sich gegen Flüchtlinge richtet, denn in einer Bevölkerungsschicht besonders vertreten?
Burkhard Hose: Die unterschiedliche Haltung gegenüber Flüchtlingen findet sich tatsächlich quer durch alle Bevölkerungsschichten. Ich habe ja sowohl mit Studierenden und Dozenten sehr viel zu tun als auch mit Menschen vor Ort in Zusammenhang mit meiner Flüchtlingsarbeit. Da merke ich, dass die Solidarität bei ganz einfachen Menschen auf dem Land ebenso vorhanden ist wie Vorbehalte. Ich bin manchmal darüber erschreckt, wie gerade in gebildeten und intellektuellen Kreisen Stammtischparolen vor sich hergetragen werden. Es zeigt sich eine Unwissenheit, wenn es um Flüchtlinge geht, die Meinung prägt. Da bin ich teilweise auch erschüttert. Es ist nicht so, dass der Grad der Bildung oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht diese Einstellung prägt.
domradio: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Dr. Christian Schlegel.