Vor 50 Jahren wurde das Poblicius-Grab entdeckt

Hab 'n Grabmal im Garten

Es war der vielleicht spektakulärste archäologische Privatfund der deutschen Geschichte. Vor 50 Jahren machten ein paar junge Kölner im Garten Testgrabungen für ein Baufundament - und stießen auf ein riesiges Römergrab.

Oberer Teil des Poblicius Grabmal im Römisch-Germanischen Museum in Köln am 23.07.15 (KNA)
Oberer Teil des Poblicius Grabmal im Römisch-Germanischen Museum in Köln am 23.07.15 / ( KNA )

Es ist eine Geschichte, wie sie Lehrern gefällt und Geisteswissenschaftlern, die die Fahne des Interesses an der eigenen Vergangenheit hochhalten. Sieben junge Kölner machten vor 50 Jahren im eigenen Garten einen unglaublichen Fund - und sie ließen sich von niemandem davon abbringen, der Sache mit unfassbarer Energie bis auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis war eine der spektakulärsten archäologischen Entdeckungen der Nachkriegszeit. Vor 50 Jahren, Mitte August 1965, wurde das römische Grabmal des Poblicius aufgefunden.

Am 18. September 1943 hatte eine Phosphorbombe eingeschlagen, unweit der Severinstorburg (kölsch: "Vringspooz"), von wo einst die Römerstraße nach Bonn verlief. Das Wohn- und Geschäftshaus der Familie Gens am Chlodwigplatz 24 brannte weitgehend aus, und die Familie, die das Viertel schon seit 1897 mit Hemden versorgte, musste sich in der Nachkriegszeit mit einem Provisorium behelfen. Die Kinder spielten unterdessen in den Trümmern der Umgebung, mit offenen Augen und vielen Fragen an die Wissenschaftler, die in den Bombenkratern nahe der alten Stadtbefestigung Notgrabungen durchführten.

Archäologischer Fund nach den Sommerferien

1965 schließlich sollte im Garten der Gens ein Anbau her. Doch der Baugrund, wohl 1885 mit Schutt von der Niederlegung der alten Stadtmauern aufgefüllt, verhieß keine gute Statik. Um die Kosten für ein Sondierungsgutachten zu sparen, griffen die Söhne Heinz und Josef am Karfreitag persönlich zur Hacke. Bald schon stießen sie, gemeinsam mit dem Architekturstudenten Bernhard Strässer, auf einen offenbar verfüllten Brunnen mit Scherbenfunden. Diesem in die Tiefe folgend, legten sie nach den Sommerferien, Mitte August, einen massiven, seltsam skulptierten Steinquader mit einer nackten Figur darauf frei: dem Hirtengott Pan.

Das war kein Jugendstil - das war viel älter, geheimnisvoller, spannender. Die jungen Leute meldeten ihren Fund ordnungsgemäß, und die Kölner Archäologen-Legende Otto Doppelfeld (1907-1979) bestätigte die außerordentliche Bedeutung des Fundes. Doch er verfügte auch: weitergraben für Amateure zu gefährlich; "denen fällt doch dat Haus auf'n Kopp!".

Einige Monate warteten die Hobbygräber ungeduldig. Als aber so gar nichts geschah, entschieden sie, auf eigenes Risiko weiterzumachen. Den Eltern gegenüber täuschten sie zunächst vor, einen Partykeller zu bauen. Doch darunter fand in den kommenden knapp zwei Jahren Nacht für Nacht eine ganz andere Party statt.

Römisches Grabmal statt Partykeller

Sechs Dutzend Kalksteinquader, teils tonnenschwer, gruben die Freunde aus. Für die Bergung bastelten sie einen unterirdischen Kran. Bis zu neun Meter tief trieben die Ausgräber ihre professionell berechneten Stollen unter das elterliche Haus. Als Materialverbrauch gaben sie später an: 90 Säcke Zement, 7 Kubikmeter Fertigbeton, 10.000 Ziegel und 35 Meter Eisenträger.

Das Ergebnis war eine archäologische Weltsensation: eines der größten römischen Grabmäler nördlich der Alpen. Knapp zwei Jahrtausende zuvor gehörte es dem Armeeveteranen Lucius Poblicius, der seinen später erworbenen Wohlstand mit einem rund 14 Meter hohen, reich ausgestatteten Grabmal unmittelbar neben dem Stadttor zur Schau stellte. Und nun, gemäß dem 1967 noch gültigen preußischen Grabungsrecht von 1920, gehörte es den Findern.

Museum im Elternhaus

Sie machten das Haus Chlodwigplatz 24 zum Museum, erhoben Eintritt und wurden zu einer Attraktion. Der "Spiegel" berichtete unter dem Titel "Faun nach Feierabend", im Dezember 1967 sogar das "Time Magazine" aus den USA. Von dort kam auch ein Millionenangebot zum Kauf des Denkmals. Doch die Hobbyarchäologen waren ja erklärte Kölner Lokalpatrioten. Und so bekam 1970 - für nur eine halbe Million Mark - das neue Römisch-Germanische Museum den Zuschlag.

Dort gehört das Poblicius-Grabmal seitdem zu den größten Attraktionen - auch wenn der gelernte Maschinenbauer Josef Gens sich bis heute über die wissenschaftliche Rekonstruktion des Aufbaus ärgert. Leidenschaftlich hält der 72-Jährige seine anderslautenden Baupläne dagegen. Denn Amateur oder nicht: Am Ende ist es der Fund seines Lebens, und der Fund ist sein Leben geworden.


Quelle:
KNA