Erneut ist es vor dem Notquartier für Flüchtlinge in Heidenau bei Dresden zu Krawallen gekommen. Rechte Demonstranten warfen am späten Samstagabend Bierflaschen und Böller auf Polizisten. "Es waren ähnliche Szenen wie in der Nacht zuvor", sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntagmorgen. Die Polizei ging mit Schutzschilden gegen die teils betrunkenen Krawallmacher vor und räumte die Straße.
Die Flüchtlinge haben in einem ehemaligen Baumarkt ein notdürftiges Obdach gefunden. "Wir hoffen, dass sie noch eine ruhige Nacht gehabt haben", fügte der Sprecher hinzu. Ob es Verletzte oder Festnahmen gab, konnte er nicht sagen. Zahlen und nähere Details zu dem Polizeieinsatz gebe es wahrscheinlich im Lauf des Sonntags.
In den Abendstunden standen sich rechte und linke Demonstranten in Heidenau gegenüber. Die Lager waren durch eine Straße voneinander getrennt. Die Atmosphäre in der kleinen Stadt südöstlich von Dresden sei angespannt gewesen, heiß es. Es blieb aber bei lautstarken Pöbeleien, Provokationen und Beleidigungen.
Bis zum Abend trafen etwa 120 neue Flüchtlinge in der Notunterkunft ein. Die vier Busse fuhren ungehindert vor das triste Gebäude. In der Nacht zuvor hatten Hunderte Menschen die Zufahrt blockiert. Sie bepöbelten die hilfesuchenden Menschen, warfen Müll auf die Straße und gingen mit Flaschen und Feuerwerkskörpern auf die Polizei los.
Kirche nennt unsolidarisches Verhalten "eine Zumutung"
Der bisherige Bischof von Dresden-Meißen, Erzbischof Heiner Koch, hatte am Samstag gesagt: "Dass Steine und Brandsätze fliegen und Flüchtlinge nur über Umwege erst um Mitternacht bei uns ihre Unterkunft erreichen können, zeigt dass wir menschlich mitten in der Nacht angekommen sind." Er habe Verständnis für manche Anfrage an die gegenwärtige Flüchtlingspolitik, aber das unsolidarische Verhalten Europas sei "eine Zumutung", so der neue Berliner Erzbischof.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte: "Wir dürfen niemals tolerieren, dass Menschen in unserem Land bedroht oder angegriffen werden. Dagegen müssen wir mit aller Härte des Rechtsstaates vorgehen." Gegenüber Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gelte "null Toleranz." Unterdessen versammelten sich am frühen Samstagabend laut Augenzeugen knapp 200 Demonstranten in Heidenau, um Solidarität mit den Flüchtlingen zu zeigen. Offenbar planen auch die Rechtsextremen am Abend erneute Proteste.
Bundesinnenminister de Maiziere: "Für unser Land unwürdig und unanständig"
Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat die Krawalle verurteilt und die Anwendung der "gesamten Härte des Rechtsstaates" angekündigt. "Wir haben eine gewaltige Welle von Hilfsbereitschaft, aber zugleich einen Anstieg von Hass, Beleidigungen und Gewalt gegen Asylbewerber. Das ist für unser Land unwürdig und unanständig", sagte der Minister der "Bild am Sonntag".
"Jeder, der so denkt, sollte sich auch nur für einen Moment vorstellen, er wäre in der Situation der Flüchtlinge", sagte de Maiziere weiter. Auch ein Asylbewerber, "der morgen abgeschoben wird", habe heute Anspruch auf eine faire Behandlung und darauf, in Frieden zu leben.
Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) bezeichnete die Vorfälle auf seiner Facebook-Seite als "schlichtweg beschämend". Er habe die Meldungen darüber mit "Abscheu und Entsetzen" verfolgt. "Dass solch blinder Hass und Ablehnung Asylbewerbern entgegenschlägt, welche vor Krieg, Not und Verfolgung geflohen sind, schockiert mich", so der Wirtschaftsminister. Der Freistaat werde "entschlossen und mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen diese geistigen Brandstifter vorgehen".
Der künftige evangelische Landesbischof von Sachsen, Carsten Rentzing, sagte der "Welt", die Kirche müsse sich klar von und Fremdenfeindlichkeit abgrenzen und scharf dagegen protestieren. "Ich werde als Landesbischof alles dafür tun, dass sich unsere Landeskirche auch weiterhin klar gegen Ausländerfeindlichkeit stellt und offen für Flüchtlinge bleibt", so Rentzing, der sein Amt am 29. August in Dresden antritt.
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisierte die fremdenfeindliche Demonstration in Heidenau wie in anderen Städten: "Besorgte Menschen" versammelten sich dort hinter Nazis und "Rattenfängern".
In der Nacht zu Samstag war eine von der NPD organisierte Demonstration mit anfänglich 1.000 Teilnehmern in der Kleinstadt bei Pirna eskaliert. Die Polizei musste mit Pfefferspray gegen die rund 600 Demonstranten vor einer provisorischen Asylunterkunft vorgehen. Laut Polizei bewarfen Störer die Beamten mit Steinen, Flaschen und Böllern. Es habe Verletzte auf beiden Seiten gegeben, darunter 31 Polizisten, einer davon schwer. Insgesamt waren 136 Beamte im Einsatz, so die Polizeidirektion Dresden.
Mehrere Busse mit Flüchtlingen musste zunächst umgeleitet werden. Gegen ein Uhr nachts konnten die ersten Asylsuchenden ihr neues Quartier beziehen. In dem ehemaligen Baumarkt sollen künftig bis zu 600 Menschen unterkommen.