Der Deutsche Kinderschutzbund wirbt für einen nationalen Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingskindern und deren Familien. Aus der "Willkommenskultur muss eine nachhaltige Integrationspolitik werden", sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, am Donnerstag in Berlin. Bislang betreibe die Bundesregierung überwiegend Krisenmanagement. Nötig seien jedoch langfristige Strategien. Gebraucht würden Tausende Wohnungen, aber auch mehr Kitaplätze und Schulen.
Die Erfahrung habe gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland bleiben wollten, sagte Hilgers. Mehr als ein Drittel aller Flüchtlinge seien Kinder. Für die demografische Entwicklung sei das ein Segen, sagte Hilgers. Doch müsse die Politik darauf angemessen reagieren. "Wenn ein 14-jähriger Junge aus Eritrea oder Syrien über Wochen und Monaten nach Deutschland kommt: Was muss der für Talente haben, dass ihm das gelingt? Diese Talente müssen wir nutzen. Wenn wir jetzt den Fehler machen, sie nicht so schnell wie möglich in das Bildungssystem zu integrieren und zu fördern, dann machen wir denselben Fehler wie bei den sogenannten Gastarbeitern", sagte Hilgers gegenüber domradio.de.
Speziell ausgebildete Erzieher und Lehrer
Hilgers empfahl der Bundesregierung, kontinuierlich Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung zu erstellen, die die Flüchtlingszahlen mitberücksichtigten. Vor kurzem sei es vielleicht aus demografischen Gründen noch notwendig gewesen, in einigen Städten und Gemeinden Schulen, Kitas oder Jugendclubs zu schließen, sagte Hilgers. Das könnte jedoch ein schwerer Fehler sein, angesichts der vielen jungen Flüchtlinge, die sehr wahrscheinlich in Deutschland bleiben wollten.
Mit der Zuwanderung steige auch der Bedarf an speziell ausgebildeten Erziehern und Lehrern, sagte Hilgers. Pädagogen müssten sich zum Thema gesellschaftliche Integration fortbilden. Zudem erfordere der Deutschunterricht für Flüchtlinge andere Qualifikationen als für deutsche Kinder.
Hilgers betonte, dass unbegleitete Flüchtlinge besonders schutzbedürftig seien. Für sie sollte der Bund spezielle Kompetenzzentren in den Ballungsgebieten einrichten. Es sei ein "Drama", wenn die jungen Flüchtlinge in Kinderheimen zusammen mit verhaltensauffälligen deutschen Jugendlichen untergebracht würden. Oft fehle zudem die fachliche Kompetenz, etwa zur Bearbeitung schwerer Traumata.
Besonderer Schutz von alleinreisenden Frauen und Mädchen
Ein nationaler Aktionsplan müsse unter anderem ein Wohnungsprogramm umfassen, sagte Hilgers weiter. Deutschlandweit würden jährlich 350.000 neue Wohnungen gebraucht, nicht nur für Migranten. Hilgers erklärte, auch junge deutsche Familien, Studenten und Auszubildende hätten Schwierigkeiten, bezahlbare Wohnungen zu finden. Es müsse dringend gehandelt werden. Außerdem forderte Hilgers die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge sowie den besonderen Schutz von alleinreisenden Frauen und Mädchen, vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
Schließlich müssten die Flüchtlinge diese Einrichtungen so schnell wie möglich verlassen und danach eine Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Den Menschen sollte so früh wie möglich die Selbstständigkeit ermöglicht werden, sagte Hilgers. So würden aus Leistungsempfängern sehr schnell Leistungsträger. Hilgers forderte spezielle Programme von der Bundesagentur für Arbeit. Auch müssten bereits erworbene Berufsabschlüsse zugig anerkannt werden.