Jesuitenpater kritisiert Pläne zu Flüchtlingspolitik

Begegnung statt Abschreckung

Schnelle Eingliederung in Schule und Arbeitsmarkt, das ist für Pater Pflüger vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst die Voraussetzung für Integration. Die geplanten Änderungen im Asylrecht kritisierte er dagegen im domradio.de-Interview als "Querschläger".

Pater Pflüger: Abschreckende Maßnahmen nicht förderlich / © Wolfram Kastl (dpa)
Pater Pflüger: Abschreckende Maßnahmen nicht förderlich / © Wolfram Kastl ( dpa )

domradio.de: Eine Milliarde Euro für die Flüchtlingslager im Ausland und dazu noch Aufnahmezentren an den sogenannten Hotspots. Ist das eine gelungene Antwort Europas auf die gegenwärtige Flüchtlingskrise?

Pater Frido Pflüger (Leiter des Jesuitendienstes in Deutschland): Eigentlich ist das ja nicht sehr viel. Das ist das absolute Minimum. Diese eine Milliarde Notfallhilfe - vor allem für die Länder, die um Syrien herum liegen - ich denke, das ist eine sehr gute Entscheidung. Das ist ganz wichtig, weil dort die Mehrzahl der Flüchtlinge untergebracht sind. Und wenn in diesen Lagern nicht gewährleistet ist, dass die Menschen dort in Würde leben können, also dass sie jetzt auch im Winter die Kälte durchstehen, dass sie nicht hungern müssen, dass die Kinder in die Schule gehen. Wenn das nicht gewährleistet ist, dann werden die Leute aufbrechen. Also das ist eigentlich eine Minimalforderung, dass man die Länder unterstützt, die jetzt schon die größte Last der Flüchtlinge tragen. Ich hatte gestern ein kurzes Telefonat mit einem Freund von mir, der im Irak für das Uno-Flüchtlingshilfswerk  UNHCR die humanitäre Hilfe leitet. Auch er sagt, genau das ist das wichtigste jetzt auch im Irak, das alle Projekte unterstützt werden, die die Leute dort fördern - also Schule, Ernährung, Gesundheit. Denn sonst machen sich die Leute alle auf. Das verstehe ich auch, das würden wir ja auch machen.

domradio.de: Was meinen Sie denn, wie viele Flüchtlinge kann Deutschland verkraften, nicht nur materiell, sondern eben bevor die Stimmung in der Bevölkerung von "verständisvoll" zu "verständnislos" umschlägt.

Pater Pflüger: Ich glaube, davon sind wir noch weit entfernt. Falls die Politik jetzt nicht noch Querschläger macht, wie sie sie eigentlich plant durch die neue Gesetzgebung, die ja wieder alles abschrecken soll. Das ist natürlich nicht gerade förderlich, der Bevölkerung klar zu machen, dass wir positiv reagieren sollen. Aber ich habe das Gefühl, es hat sich so viel positiv verändert an Aufnahmefreude und Aufnahmefähigkeit, das ist eigentlich überwältigend. Wenn wir den Flüchtlingen zusätzlich zu dieser Aufnahmebereitschaft noch schnellere Arbeitsmöglichkeiten, bessere Ausbildungsförderung und schnelleren Schulzugang ermöglichen, dann geschieht ja auch die Integration sehr schnell.

domradio.de: Kanzlerin Merkel hat ja am Vormittag auch von den Flüchtlingen etwas eingefordert und zwar Integration. Sie selbst leben ja in Berlin und erleben natürlich vieles, sowohl an gelungener und auch an gescheiterter Integration. Wo sollte man da ihrer Meinung nach ansetzen?

Pater Pflüger: Der Ansatz ist für mich immer der, dass die Leute die Sprache lernen. Das muss man einfordern, von daher hat die Kanzlerin ja auch recht. Die Integration geschieht ja auch eigentlich immer am besten, wenn die Leute deutsch sprechen können, wenn sie in die Schule gehen können und wenn sie arbeiten können. Dann begegnen sie anderen Menschen, dann begegnen Kinder anderen Kindern. Das finde ich eigentlich den schönsten Integrationsweg, weil man sich eben einfach an einem ganz natürlichen Ort begegnet. Das zweite ist, wenn Kinder und Jugendliche in die Schule gehen und die Leute arbeiten können, dann haben sie was sinnvolles zu tun und hocken nicht über ein Jahr oder ein halbes Jahr sinnlos in Aufnahmelagern herum. Dann ist doch klar, dass es ein Problem gibt. Wenn wir die Leute so lange in den Lagern hocken lassen, haben wir wirklich Nachfolgeprobleme. Aber das ginge uns ja auch so. Wem fällt nicht die Decke auf den Kopf, wenn er lange arbeitslos ist. Das trifft ja bei uns auch zu.

domradio.de: Was ist denn Ihre Hoffung, was den Flüchtlingsgipfel heute Nachmittag betrifft? Was sollte dabei herauskommen?

Pater Pflüger: Die Hoffnung, die ich für diesen Flüchtlingsgipfel habe, ist erstmal, dass die Liste der sicheren Herkunftsstaaten nicht erweitert wird. Das bringt wirklich nichts. Dass die Sachleistungen nicht durchgedrückt werden, sondern dass die Leute Geld erhalten, so dass sie ihr Leben selber gestalten können. Wir machen ja nur den Verwaltungsaufwand größer, aber nicht die Effektivität, wenn wir diese Dinge durchsetzen. Wichtig ist auch, dass genügend Wohnraum zur Verfügung gestellt wird, also dass verstärkt sozialer Wohnbau geschieht. Ich finde es auch einen wichtigen Punkt, das Leute nach Deutschland einreisen können und arbeiten können. Dass nicht etwa Leute aus dem Balkan "Asyl" rufen müssen, sondern dass sie Zugangsmöglichkeiten außerhalb des Asylverfahrens haben, weil sie hier arbeiten wollen. Und ein wichtiger Punkt wäre meines Erachtens auch, dass endlich die Gesundheitskarte kommt. Denn die entlastet dann ganz stark die Kommunen und die Leute, die krank sind, erfahren dann auch schneller die nötige Hilfe. 


Quelle:
DR