domradio.de: Putin drängt nun darauf, den syrischen Präsidenten Assad zu unterstützen. Der Westen hat dies immer abgelehnt. Doch jetzt wollen auf einmal auch die Vereinigten Staaten mit Assad sprechen. Ist das eine sinnvolle Strategie?
Dr. Sadiqu Al-Mousllie (Vorsitzender der Initiative für Bürgerrechte in Syrien): Aus unserer Sicht ist das keine sinnvolle Strategie. Das ist eine Strategie der Leute, die eigentlich keine Strategie haben. Wir haben in den letzten Jahren, leider Gottes, immer zugeschaut, wie die Entwicklung in Syrien fortgeschritten ist. Und wir wissen auch, wie der Islamische Staat (IS) entstanden ist. Eigentlich wägt man jetzt aus westlicher Sicht ab und fragt sich, was schlimmer ist: Assad oder IS? Wir sagen, dass der Grund und die Ursache für die Entstehung von ISIS Assad selber ist. Man kann nicht mit Assad arbeiten, um etwas zu beseitigen, was Assad verursacht hat. Das wäre sinnlos.
domradio.de: Sie gehen sogar weiter und sagen, wenn man Assad nun die Hand reicht und ihn unterstützt, dann unterstützt man den Zulauf von IS sogar, oder?
Dr. Sadiqu Al-Mousllie: Natürlich. Was ist das denn für ein Signal an die Diktatoren dieser Welt, wenn man jetzt eine Kooperation mit Assad startet? Dann könnten sich alle anderen auf den Standpunkt stellen, genügend Flüchtlingsströme aus dem eigenen Land heraus zu produzieren. Wenn sie gleichzeitig genügend starke Verbündete haben, kann man auch die eigene Bevölkerung abschlachten und bleibt mit der internationalen Gemeinschaft trotzdem im Gespräch. Die internationale Politik hat ja lange gezögert. Für dieses Zögern zahlen wir Syrer jetzt den Preis. Mit seiner letzten Aktion in Syrien hat Russlands Präsident Putin den Westen und die ganze Welt vor vollendete Tatsachen gestellt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Präsident Putin die ganze syrische Opposition und die ganze internationale Gemeinschaft unter Druck setzen will. Das führt überhaupt nicht zum Ziel. Weder wird dadurch ISIS beseitigt, noch werden wir dadurch ein friedvolles Syrien bekommen.
domradio.de: Aber was soll man machen?
Dr. Sadiqu Al-Mousllie: Wir haben als Opposition immer wieder gesagt, dass es seit 2012 die Genfer-Abmachung gibt. Diese Abmachung setzt voraus, dass wir eine Übergangsregierung mit Persönlichkeiten aus der jetzigen Regierung von Assad zusammenstellen würden. Aber ohne Assad selbst. Daraus ist eine Interpretationsfrage zur Beteiligung Assads zwischen den Russen und den Amerikanern erwachsen. Wir als syrische Opposition und Bevölkerung sagen, man kann Assad in keiner Weise in einer Übergangsregierung aushalten. Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten, bei denen die internationale Gemeinschaft etwas mehr tun kann. Man hat damit vor drei Jahren quasi schon angefangen und es zugesagt, aber es ist bisher nichts passiert. Man wollte die moderate Opposition unterstützen und hat dies auch in Statements getan. Nur leider ist es bei diesen Statements geblieben. Konkret bedeutet das, dass an die moderate Opposition keine Waffen geliefert wurden. Dies hat dazu geführt, dass extremistische Gruppierungen stärker geworden sind. Dadurch wurde die freie syrische Armee immer mehr zurückgedrängt. Wenn wir jetzt auf Syrien schauen, dann wissen wir, dass Assad 18 Prozent des Landes kontrolliert. Wie soll er ein adäquater Partner sein, um gegen ISIS zu kämpfen? Hier geht es darum, dass Russland seine Machtposition sichern will. Zudem besteht eine gewisse Verbundenheit mit Russland, da bereits der Vater von Assad mit Russland kooperiert hat und sich in den 1980er Jahren mit der damaligen UDSSR zusammengetan hat. Das wurde damals schon auf dem Rücken der syrischen Bevölkerung ausgetragen. Wir sagen, dass die Genfer Abmachung existiert und das sollten wir dann auch umsetzen. Die internationale Gemeinschaft wäre gut beraten, wenn sie auf diesem Beschluss beharren würde. Wo wären wir denn, wenn wir uns am Ende einem Massenmörder beugen würden und mit ihm reden?
Das Interview führte Johannes Schröer