domradio.de: Ein Drittel der Synode ist rum, Sie verfolgen das Ganze über die Medien. Welchen Eindruck haben Sie bislang?
Heidi Ruster (Leiterin der Bonner Beratunsstelle für Ehe-, Familie- und Lebensfragen): Ich habe den Eindruck, dass wirklich alle Stimmen - auch die konträren - zu Wort kommen. Ich bekomme mit, dass sich nicht alle einig sind und habe am Anfang der Synode von dem Skandal um den homosexuellen Priester gehört. Es geht offensichtlich so zu, wie in einer normalen Familie, die zusammen unterwegs ist und dennoch ein Bund der Verschiedenen ist.
domradio.de: Auf welches Echo stößt bislang in Ihrer Beratungsstelle die Synode, bei Ihren Kollegen und bei den Leuten, die zu Ihnen kommen?
Heidi Ruster: Von unseren Klienten habe ich bisher wenig gehört. Da gab es nach dem ersten Drittel der Synode noch keinen Rücklauf. Ich habe auch mit niemandem ein Gespräch mit dieser Thematik geführt. Meine Kollegen sind eher verhalten optimistisch. Es wird skeptisch betrachtet, ob denn jetzt große Neuerungen kommen. Man hat im Vorfeld gehört, dass doch alles beim Alten bleiben soll. Die Stimmungslage hatte eher den Tenor des Abwartens.
domradio.de: Sie sind ganz nah an den Knackpunkten, die gerade in Rom besprochen werden, dran. Sie sehen ja nicht immer das Ideal der perfekten katholischen Ehe, sondern die Brüche, wo es schiefgeht oder schiefgegangen ist, oder?
Heidi Ruster: So ist es. Wir kriegen Tag für Tag die Zerbrechlichkeit dieses Ideals mit. Ich kriege mit, wie Menschen darum ringen, dem Versprechen "bis der Tod uns scheidet" zu entsprechen, obwohl es gerade nicht danach aussieht und sich ein großes Loch vor den Ehepartnern auftut oder gar das Band zerrissen ist. Ich sehe die Verzweiflung, aber auch das Bemühen, dennoch nicht aufzugeben. Wir nehmen dieses Bemühen ernst und unterstützen Menschen darin, den Glauben darin hochzuhalten. Wir gehen aber auch mit durch das Tal der Tränen, wenn es nicht geklappt hat und sind oft Zeugen des Scheiterns.
domradio.de: Sie sind auch Autorin des Buchs „… bis dass der Tod euch scheidet". Gemeinsam mit Ihrem Mann, der Theologieprofessor ist, schlagen Sie darin eine Lösung für den kirchlichen Umgang mit Menschen vor, die nach einer Scheidung wieder heiraten. Können Sie uns Ihre Lösung kurz skizzieren?
Heidi Ruster: Wir empfehlen den Synodalen, einfach mal die Wirklichkeit um uns herum zur Kenntnis zu nehmen und nicht immer am Ideal orientiert die Situation als minderwertig oder nicht erlaubt zu sehen. Die Chancen und der Beziehungsreichtum, der um uns herum in der modernen Welt zu finden ist, sollten gesehen werden. Sie anzuerkennen heißt aber auch, sie als vollgültige Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft zu akzeptieren und sie natürlich an den Tisch des Herrn einzuladen. Das wäre uns sehr wichtig. Es bedeutet aber nicht, dass wir die sakramentale Ehe aufgeben. Im Gegenteil. Wir möchten, dass die Synode gerade dieses Sakrament noch einmal in ihrem Glanz und Alleinstellungsmerkmal ausweist. Wir brauchen eine neue Theologie, auch für das Sakrament der Ehe. Es wäre zum Beispiel vorstellbar, dass man bei einem Paar, was schon sehr lange zusammengelebt hat und das sich dann zu einer kirchlichen Trauung entscheidet, ein Glaubenszeugnis sieht. Die Sakramentalität einer Ehe ist könnte gerade in unserer Zeit, wo der Glaube eher klein ist, noch einmal eine eigene Zeugenschaft für die unverbräuchliche Treue Gottes sein. Wenn das bewusst ist, sollen diese Menschen auch vor der Kirche heiraten. Dieses Sakrament ist natürlich nicht inflationär oft zu verteilen. Da bleiben wir dabei, es gibt nur einmal das Sakrament der Ehe. Wir möchten aber auf eine andere Sichtweise hinweisen, was das Scheitern einer Ehe angeht. Es sollte klar sein, dass ein Scheitern möglich ist und dennoch wieder ein neuer Segen erwachsen kann. Es gibt auch neue Verbindungen, die die Kirche auch segnen kann.
Das Interview führte Susanne Becker-Huberti