Frank Johannes Hensel, Diözesan-Caritasdirektor für das Erzbistum Köln, warf der Bundesregierung vor, sie ziehe "vorschnelle Schlüsse". Vom wahren Ausmaß der Medikamentenvernichtung habe sie gar keine Kenntnis. Dass die Bundesregierung keine Gesetzesreform plant, gehe aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen hervor, sagte die Abgeordnete Kordula Schulz-Asche am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.
Der Diözesan-Caritasverband in Köln hatte die Vernichtung der Medikamente in seinen eigenen Hospizen systematisch untersucht. Bei der anschließenden Hochrechnung für sämtliche nordrhein-westfälischen Hospize kam heraus, dass jedes Jahr unverbrauchte Arzneien Verstorbener im Wert von jährlich 850.000 Euro vernichtet würden. Diese Verschwendung müsse beendet werden, fordert die Caritas.
Keine Erhebung zur Vernichtung von Medikamenten
Die Bundesregierung betonte in ihrer Antwort, laut Arzneimittelgesetz dürften von Ärzten verschriebene Präparate allein von Apotheken an den Endverbraucher ausgegeben werden. Mit diesem Monopol würden "wichtige gesundheitspolitische Ziele" verfolgt. Eine Weiterverwendung von bereits ausgelieferten Medikamenten sei aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht möglich. Die Regierung verwies darauf, dass auch in Heimen und Hospizen eine unsachgemäße Lagerung der Arzneien nicht ausgeschlossen werden könne.
Weiter heißt es in der Antwort, es bestehe im Verhältnis zu den Gesamtausgaben für die Arzneimittelversorgung "kein relevantes Einsparpotenzial, das die Aufgabe bewährter Prinzipien rechtfertigen würde". Zugleich räumt die Bundesregierung aber ein, "keine statistisch belegten Informationen" über die bundesweite Vernichtung von Medikamenten in stationären Hospizen Medikamenten zu haben. Eine Erhebung dazu sei ebenfalls nicht geplant.
Die für Betäubungsmittel bestehende Ausnahmeregelung, die die Weiterverwendung unter eng gefassten Bedingungen innerhalb eines Hospizes erlaubt, sei nicht auf die Versorgung mit anderen Arzneimitteln übertragbar. Insofern sehe die Regierung "aus den dargelegten Gründen keinen Handlungsbedarf".
Mögliche Lösung: Individuelle Verpackung von Tabletten
Kordula Schulz-Asche sagte dem epd, sie teile die Einschätzung, dass die Qualität der Versorgung mit Arzneimitteln einheitlichen Grundsätzen folgen und in den Händen der Apotheker liegen sollte. Doch die Vernichtung von Medikamenten wegen Nichtnutzung sei kaum nachzuvollziehen und nicht allein ein Problem in stationären Hospizen, sondern werde auch in Pflegeheimen zunehmen. "Träger, Apotheken, Kassen und Patientenorganisationen sollten gemeinsam prüfen, welche Lösungen sinnvoll und möglichst einfach umsetzbar sind."
Bei Tabletten könne dabei auf dem Ansatz der Verblisterung aufgebaut werden. Damit ist die individuelle Verpackung und Lieferung von Medikamenten gemeint, die Patienten dann pünktlich verabreicht bekommen. "Für andere Darreichungsformen sowie die Bedarfsmedikationen in Hospizen und Pflegeheimen ist das jedoch keine Lösung", betonte die Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft.
Caritas-Chef Hensel sagte dem epd, die Bundesregierung habe nach eigenen Angaben keine Kenntnis vom wahren Ausmaß der Medikamentenvernichtung. "Sie weiß es also nicht, sie will es nicht wissen. Das ist ignorant und nicht überzeugend." Es bleibe dabei: Medizinisch und ökologisch sei die Vorschrift, Medikamente nach dem Tod eines Bewohners zu vernichten, unsinnig.