50 Jahre nach dem historischen Versöhnungs-Briefwechsel haben Deutschlands und Polens katholische Bischöfe eine Vertiefung der europäischen Integration sowie die Bewahrung christlicher Werte in Europa gefordert. Die Kirche wolle aktiv und intensiv an der "Einheit Europas mit seinen christlich geprägten Grundlagen" mitarbeiten, hieß es in einer am Sonntagabend im polnischen Tschenstochau (Czestochowa) veröffentlichten Erklärung der Bischofskonferenzen beide Länder. Kritik übten die Bischöfe daran, dass heute vielerorts in Vergessenheit geraten sei, dass die christlichen Werte und das christliche Menschenbild den europäischen Geist und die Identität der Europäer tief geprägt hätten.
Festakts zum der Briefwechsel zwischen der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz von 1965
Rund 20 Bischöfe aus beiden Ländern waren in das wichtigste Wallfahrtskloster Polens gekommen. Anlass des Festakts war der Briefwechsel zwischen der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz von 1965. Die Kirche schulde Europa das Zeugnis des christlichen Glaubens an die Menschenwürde, hieß es in der von den Episkopats-Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx und Erzbischof Stanislaw Gadecki unterschriebene Erklärung: "Wenn die Würde eines jeden Menschen als Geschenk Gottes verstanden wird, dann ist unsere Zivilisation davor gefeit, auf die Abwege der Machbarkeit und missverstandener Formen menschlicher Selbstbestimmung zu geraten."
Die Bischöfe warben für den Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende und das Gedeihen der Familien. Zudem sprachen sie sich für eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung aus, in der soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Bewahrung der Schöpfung nachhaltig im Blick bleiben. Es gehe um eine "ganzheitliche Ökologie" und "eine neue Fortschrittsidee".
Weg der Versöhnung weitergehen
Die deutschen und polnischen Oberhirten unterstrichen, sie wollten ihre Erfahrung der Versöhnung in das Gespräch mit der Kirche und der Gesellschaft in anderen Ländern einbringen und so Impulse für Versöhnungsprozesse in Europa setzen. Die von beiden Bischofskonferenzen initiierte Maximilian-Kolbe-Stiftung solle hierfür weiterentwickelt und ausgebaut werden. In den kommenden Jahren seien eine Reihe von Projekten geplant, die Kirchen darin unterstützen, in ihren Ländern und Regionen die mühsamen Wege der Versöhnung anzubahnen oder weiterzugehen. Dabei stünden die Heilung von Erinnerungen, der Blick auf die Opfer der Geschichte und der Wille zur Wahrhaftigkeit im Mittelpunkt.
"Dabei sind wir uns sehr bewusst, dass wir nicht triumphalistisch ein 'Produkt' anzubieten haben, sondern anderen eine Hoffnung vermitteln dürfen", so die Bischöfe. Besonders mit den Kirchen in Bosnien-Herzegowina und anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens sowie mit den Kirchen in Osteuropa solle das Gespräch gesucht werden.
Marx beklagte in einer Ansprache "Tendenzen des Nationalismus, des Egoismus, der Selbstbezogenheit überall in Europa". Viele glaubten, die Probleme des eigenen Landes ließen sich leichter lösen, wenn man sich auf sich selbst zurückziehe. Solidarität scheine zu einer immer knapperen Ressource zu werden. "Ich bin überzeugt: Dies sind Irrwege", so der Münchner Kardinal. Politik unter dem Motto "Jeder ist sich selbst der Nächste" führe dazu, dass am Ende alle verlören. Die europäischen Völker könnten die großen Probleme unserer Zeit nur gemeinsam lösen.
Aufruf zur Unterstützung der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika
Die Deutsche und die Polnische Bischofskonferenzen riefen in der Erklärung auch zur Unterstützung der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika auf. Die Kirche in Polen und Deutschland stehe den Flüchtlingen nahe und wolle ihren Beitrag für ein gutes Gelingen der Integration der Flüchtlinge in beiden Ländern leisten. Europa müsse sich für "weltweite Solidarität öffnen und sich für Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit für alle Menschen einsetzen".
Zum Jahrestag würdigten auch der deutsche und der polnische Präsident die Versöhnungsbotschaft der Bischöfe beider Länder von 1965. Die Kirchen seien der Politik in Sachen Versöhnung voraus gewesen und hätten in Zeiten des Kalten Krieges ein Zeichen für "ungewöhnlichen Mut" gesetzt, betonten Joachim Gauck und Andrzej Duda in ihrem in Tschenstochau verlesenen Schreiben.