domradio.de: Was bedeutet die "Missio Canonica" genau?
Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke (Leiterin der Hauptabteilung Schule/ Hochschule im Erzbistum Köln): Missio heißt, dass unser Erzbischof jeden Religionslehrer und jede Religionslehrerin, die in der Klasse quasi in vorderster Front stehen und Kindern und Jugendlichen Rede und Antwort über Gott und die Welt stehen, beauftragt. Jeder Religionslehrer braucht eine Missio. Wir verstehen es heute und grade zu diesem Festakt noch einmal als eine Sendung, die der Bischof jedem Religionslehrer im Sinne einer Stärkung und einer Anerkennung dessen, was man vor Ort tut, mitgibt.
domradio.de: Jetzt ist es aber heute nicht der Erzbischof, sondern die Beauftragung findet durch den Weihbischof statt.
Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: Stimmt.
domradio.de: Warum?
Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: Weil der Erzbischof den Termin heute selbst leider nicht wahrnehmen kann. Aber der Erzbischof unterschreibt ja die Missio und setzt damit sein ganz deutliches Zeichen, dass er hinter den Religionslehrerinnen und Religionslehrern steht. Heute übergibt der Weihbischof stellvertretend zusammen mit mir diese Urkunden, um auch ganz klar zu sagen, dass es nichts ist, das wir einfach mit der Post verschicken, sondern das ist ein Akt im Dom am Dreikönigsschrein - also wirklich im Zentrum des Erzbistums - von dem dann wirklich jeder gesendet wird, egal an welche Schule das auch ist.
domradio.de: Vor welchen Herausforderungen steht der Religionsunterricht heute? Wie würden Sie das beschreiben?
Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: Die 70 Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die heute beauftragt werden, stehen vor der Herausforderung, dass immer weniger Kinder in ihrem familiären Zusammenhang eine katholische oder religiöse Sozialisierung erfahren. Ich denke dabei nicht nur an den regelmäßigen Gottesdienst, sondern an eine einfache Beschäftigung mit den Themen Gott, Christus und Kirche. Deshalb haben unserer Religionslehrer mehr und mehr die Aufgabe, Kinder überhaupt sprachfähig zu machen und neugierig zu machen auf die Fragen, die sich mit Gott und Welt verbinden. Ich denke, dass ist die Hauptaufgabe, die die Religionslehrer gegenüber den Kinder und den Eltern haben. Aber wir sollten auch nicht außer Acht lassen, dass wir Erwachsenen uns selber auch immer wieder fragen müssen, wie wir uns selber dazu verhalten. Missio heißt ja auch Verkündigungsauftrag, und in diesem Sinne haben die Religionslehrer die große Herausforderung, sich selber sprachfähig zu machen, damit sie auch eine Sprache sprechen, die die Kinder und Jugendlichen verstehen.
domradio.de: Ich habe früher in der Schule noch gelernt, Kirchenlieder auswendig zu lernen. Das war ein sehr strenger Religionsunterricht und die Inhalte wurden auch abgefragt. Ich vermute einmal, so etwas gibt es heute nicht mehr, oder? Würden das die Kinder noch mitmachen?
Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: Das ist richtig, das würde wohl kein Kind mehr mitmachen. Das Beispiel, das sie gewählt haben, ist gar nicht schlecht, weil es ja auch darum geht, nicht nur Wissen über Religion zu vermitteln, sondern auch zu fragen, wie das eigentlich gelebt wird. Für mich gehören dabei Lieder einfach dazu. Religionsunterricht auswendig zu lernen, ist wie in Deutsch Gedichte auswendig zu lernen. Ich kenne, ehrlich gesagt, nicht allzu viele mehr. Der Punkt ist aber der, einen Geschmack zu vermitteln, was es heißt, als religiöser Mensch sein Leben zu gestalten und dann auch, wie wir es in der Bibel stehen haben, Rede und Antwort stehen zu können für das, was uns umtreibt. Die Kinder und Jugendlichen müssen einerseits Wissen vermittelt bekommen, sie brauchen aber andererseits auch die Möglichkeit, ausgehend von Schule zu lernen, was es eigentlich heißt, den Alltag religiös zu gestalten. Und wenn eben Weihnachts-, Advents- oder Osterlieder dazugehören, dann sollte das natürlich auch ein Bestandteil sein. Aber nicht im Sinne des Auswendiglernens, sondern eher als in Stimmung kommen und sich reinweben lassen.
domradio.de: In der Adventszeit ist es wahrscheinlich einfacher, über Kirche und Religion zu sprechen. Findet eigentlich der interreligiöse Dialog in den Schulklassen immer mehr statt?
Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: Der wird schlicht und ergreifend immer notwendiger. Ein Grund, der uns allen klar vor Augen steht, sind die Flüchtlinge. Aber ich gehe da auch noch einmal einen Schritt weiter zurück, denn wir haben in Deutschland eine heterogene Gesellschaft. Wir haben in unserem Land so viele Menschen, die eine andere Weltanschauung oder eine andere Religion haben. Und die größte Gruppe in unserer Gesellschaft sind diejenigen, die gar nichts mehr mit Religion anfangen können. Also, es sind nicht nur die Muslime, die wir jetzt gerade auf Grund der schrecklichen Ereignisse vor Augen haben, sondern wir müssen vielmehr daran arbeiten, uns sprachfähig zu machen und auch zu begründen, warum es uns so wichtig ist - gerade gegenüber denen, die nichts mit Religion anfangen können. Insofern besteht eine Relevanz des interreligiösen Dialogs, aber auch eine Auseinandersetzung mit Philosophie oder Ethik und Weltanschauungen, die unser Religionsunterricht tatsächlich auch leistet.
Das Interview führte Tobias Fricke.