Der Besuch von Papst Franziskus gibt Amélie Bero Hoffnung. Sie hat alles verloren. Der blutige Konflikt zwischen muslimischen und christlichen Milizen in der Zentralafrikanischen Republik hat sie gezwungen, ihr Zuhause aufzugeben und im christlichen Flüchtlingslager an der Kirche St. Sauveur (Heiliger Retter) in der Hauptstadt Bangui Schutz zu suchen. "Möge Ihr Besuch in Zentralafrika Versöhnung, dauerhaften Frieden und Glück für das ganze Land bringen", sagt sie.
Bei seiner Ankunft im Flüchtlingslager schreitet Franziskus am Sonntag in seiner weißen Soutane auf dem staubigen Boden durch ein Spalier Dutzender Kleinkinder, die Papierschilder mit Aufschriften wie "Frieden", "Liebe", "Vergebung" hochhalten. Franziskus lächelt, schüttelt unzählige Hände, legt den Kindern seine Hand auf den Kopf. Seine Bodyguards können die Kinder kaum im Zaum halten, der Papst genießt das Bad in der Menge und strahlt.
"Frieden ohne Liebe, ohne Freundschaft, ohne Toleranz, ohne Vergebung ist unmöglich", sagt Franziskus zu den Flüchtlingen. Er fordert sie auf, zu vergeben und auch frühere Gegner zu tolerieren, um Frieden zu ermöglichen. "Ich wünsche Euch, dass ihr in Frieden leben könnt, ungeachtet der verschiedenen Ethnien, der Kulturen, der Religionen oder des sozialen Status", sagt Franziskus. "Wir sind alle Brüder und Schwestern."
Improvisierte Bühne
Zwischen den Zelten aus UNHCR-Plastikplanen wurde eine improvisierte Bühne errichtet, gleich daneben schliefen Minuten vor der Ankunft des Papstes noch mehrere Kinder im Schatten auf einer Plastikplane. In den Zelten von schätzungsweise 30 Quadratmetern schlafen nachts bis zu 70 Menschen. Knapp 4000 Menschen leben hier auf allerengstem Raum. "Wir haben nicht genug zu essen, es gibt keine Krankenstation, es gibt keine Medikamente", sagt Nguenda Maurice, der Verwalter des Lagers. "Die Leute leiden. Nachts müssen viele im Freien schlafen."
"Der Besuch des Papstes hat mir Hoffnung gegeben", sagt Carole Oubrou. Die 22-jährige lebt seit zwei Jahren in dem Lager, ihr Mann und Vater ihrer Tochter wurde von muslimischen Milizen getötet, als der Konflikt Ende 2013 eskalierte. "Der Papst kam und war schnell wieder weg. Aber ich habe jetzt das Gefühl, dass die Gnade Gottes uns helfen wird", sagt sie. Für eine Rückkehr zu einem normalen Leben sei sie auch bereit, den Muslimen zu vergeben.
Brüchiger Frieden
Für Franziskus ist es die erste Reise in ein Krisengebiet. Sein Besuch in dem Flüchtlingslager hat große Symbolkraft. Der brutale Konflikt hat etwa jeden fünften Einwohner des Landes zur Flucht gezwungen. Rund eine halbe Million Menschen sind in Nachbarländer geflohen, etwa genauso viele haben anderswo im Land Zuflucht gesucht. Selbst wenn der brüchige Frieden im Land halten sollte, ist noch völlig unklar, was aus den Flüchtlingen werden soll.
Tausende jubelten Franziskus auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt zu, viele trugen T-Shirts mit dem Konterfrei des Papstes. Doch der Unterschied zu anderen Reisezielen des Papstes ist unverkennbar, der Friede im Land ist brüchig: Etwa alle 20 Meter stand ein Blauhelmsoldat mit Maschinenpistole im Anschlag vor der jubelnden Menge, alle paar hundert Meter stand ein gepanzertes Fahrzeug oder ein Geländewagen, auf dessen Ladefläche ein Maschinengewehr montiert war. Über der Wagenkolonne des Papstes kreist ein UN-Hubschrauber.
Flüchtlinge hoffen auf Wirkung
Trotz Bedenken wegen der instabilen Sicherheitslage hat Franziskus an der Reise in die Zentralafrikanische Republik festgehalten. Für den Papst ist es vielleicht sogar die wichtigste Station seiner ersten Afrika-Reise mit Etappen in Kenia und Uganda. Hier kann er seinem Ziel folgen, an die Ränder der Kirche zu gehen, zu den Armen, Vergessenen und Notleidenden - wie beim Besuch eines Armenviertels in Nairobi.
Viele Flüchtlinge hoffen, dass entschlossene Worte des Kirchenoberhauptes Radikale und christliche Milizen zur Vernunft bringen können. Franziskus mahnt am Sonntag zu Toleranz, er bleibt jedoch vage. Das Wort Muslime oder ein Appell zum friedlichen Zusammenleben mit Muslimen fällt zunächst nicht. Am Montag wollte Franziskus in einer Moschee in einer muslimischen Enklave von Bangui einen Imam treffen.
Die Zentralafrikanische Republik ist einem UN-Index zufolge das drittärmste Land der Welt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist christlichen Glaubens, darunter laut Vatikan etwa 1,7 Millionen Katholiken.