domradio.de: War das Ihre Idee, zu einem Abendgebet mit Flüchtlingen und Helfern einzuladen?
Erzbischof Koch: Nein, es war vielmehr eine Idee, die sich in dem Gespräch ergeben hat, das ich regelmäßig mit dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst, der Caritas und den Maltesern führe. Die Hilfsorganisationen arbeiten hier in Berlin auf Hochtouren. Bei einem der Besuche sprach ich mit ihnen und erlebte einfach, dass die Helfer allmählich an ihre Grenze kommen und dass wir sie mehr in den Blick nehmen müssen. Es soll ihnen Wertschätzung entgegen gebracht werden. So ist der Gedanke gewachsen, mitten in einem Flüchtlingscamp, einfach alle zum Zusammenkommen und zum Beten einzuladen: Zum bewusst vor Gott hintreten mit unseren Grenzen, mit der Erschöpfung, gerade jetzt in dieser Advents- und Weihnachtszeit. Es sollte ein Zeichen des Dankeschöns sein und des Gebetes, des Vertrauens auf dass Gott uns weiterhilft. Dann kam es an dem Abend zu einem tiefen Gespräch mit Christen, die fliehen mussten aus Syrien, aber auch aus Afrika, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden und es war sofort auch klar: "Bringt jeden mit, der kommen will, es ist gut so". Das ist ein Zeichen. Es ist für uns auch eine Möglichkeit, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Aber vor allem ist es jetzt auch mal eine Möglichkeit, sich geistlich im Gebet zu stärken und sich vor Gott hinzustellen.
Erst wollte ich sie für gestern Abend einladen. Wir hatten gestern Abend nämlich den großen Gottesdienst, der immer mit den ausländischen Gemeinden am Fest der "Unbefleckten Empfängnis" stattfindet. Da sind viele in den Gemeinden drin, die auch als Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Aber dieser Gottesdienst ist immer so voll und die Kathedrale war auch gestern völlig überfüllt. Da wäre das untergegangen und gar nicht mehr zu schaffen gewesen. Deshalb haben wir gesagt, laden wir sie am Tag danach ein. Also ob christliche oder muslimische Flüchtlinge, es sind alle willkommen. Unser Beratungsdienst hat auch noch Stände aufgebaut, um schlicht und einfach Informationen weiterzugeben.
domradio.de: Von wie vielen Helfern reden wir da eigentlich, die da rein theoretisch heute Abend zum Gebet kommen könnten?
Erzbischof Koch: Das kann ich Ihnen gar nicht sagen. Wir wissen es nicht. Das Ganze ist spontan. Wir haben keine Liste von denen, die kommen könnten. Wir wissen auch nicht, wie viele Dienst haben und nicht kommen können. Wir haben gesagt, wir laden einfach ein, bereiten das über die Malteser, die Caritas und den Jesuiten-Flüchtlingsdienst vor und wer kommt, der kommt. Allein das Zeichen, dass wir einladen, ist wichtig. Aber diese Sorge ist die kleinste angesichts der Sorgen, die wir bezüglich der Flüchtlingsproblematik hier in Berlin haben.
domradio.de: Da scheint dieses Abendgebet zum rechten Augenblick zu kommen, denn die Schlagzeilen, die uns aus Berlin erreichen sind eher negativ. Da ist von Chaos die Rede, von der Stadt, die die Situation nicht im Griff hat. Ohne die Hilfe der vielen Ehrenamtlichen würde das noch viel schlimmer sein, oder?
Erzbischof Koch: Natürlich. Häufig sind es die Verantwortlichen der Verwaltung, die dort mit ganzer Kraft arbeiten und die auch in der Öffentlichkeit manchmal kritisch betrachtet werden, obwohl sie sich so stark bemühen. Auch für die beten wir natürlich und haben sie eingeladen. Aber wir beten auch um Klarsicht, um die Klarheit des Geistes und die Mut und Kraft zu klaren eindeutigen politischen Entscheidungen, die die Verantwortung tragen. Manche Probleme sind nämlich nicht vom Himmel gefallen, sondern auch von uns gemacht. Nach einer doch recht langen Zeit des Wachsens der Flüchtlingsproblematik kann man nur bitten, dass manche Entscheidungen jetzt mit Bedacht gefällt und auch durchgetragen werden und wir nicht von einem Entscheidungskampf in den nächsten kommen und nicht mehr genau wissen, welche Entscheidungen uns morgen erwarten.
domradio.de: Was sind denn Ihre Hauptforderungen. Sie sind ja Experten mit den Maltesern, mit dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst, mit der Caritas?
Erzbischof Koch: Wir sind sehr gefragt. Das ist natürlich einmal eine konkrete Hilfe hinter diesen Diensten. Wie gesagt, es stehen viele Ehrenamtliche auch aus unserer Gemeinde dahinter. Da bin ich hoch überrascht, da freue ich mich, wie viele sich dort engagieren. Darüber hinaus haben wir in allen drei Bereichen – (Malteser, Caritas, Flüchtlingsdienst) hoch erfahrene Spitzenkräfte, die sich auch in der politischen Diskussion hier in Berlin einbringen. Ich bin froh und dankbar, dass sie auch in Entscheidungen mit einbezogen werden. Bloß manchmal wundert man sich, wie manche gemeinsam getroffene Überlegung, dann nicht zum Zuge kommt.
domradio.de: Wie funktioniert das ganz praktisch, also Christen wissen, wie sie christliche Gebete sprechen sollen, dann kommen möglicherweise Flüchtlinge dazu, die Arabisch sprechen und Muslime, die christliche Gebete nicht kennen. Wie organisieren Sie das?
Erzbischof Koch: Schlicht und ergreifend: Wir wissen es nicht. Wir feiern den Gottesdienst, der ist sehr gut vorbereitet. Auch der anschließende Empfang in den Sälen des Lichtenberg-Hauses ist gut vorbereitet. Es gibt genug zu Essen und zu Trinken und Gesprächsmöglichkeiten. Alles andere wird sich ergeben. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das schaffen.
Das Gespräch führte Daniel Hauser.