World Vision will Flüchtlingskindern helfen

"Schule aus der Kiste"

Das Kinderhilfswerk World Vision hilft weltweit durch Entwicklungsprojekte. Nun will die Organisation Flüchtlingskindern in Deutschland helfen. Die Gründe dafür schildert die Projektverantwortliche Corinna Blume am Freitag im Interview.

Flüchtlingskinder in der Schule / © Ralf Hirschberger (dpa)
Flüchtlingskinder in der Schule / © Ralf Hirschberger ( dpa )

KNA: Sie wollen ein Konzept zur Betreuung von Flüchtlingskindern in Deutschland anwenden, das bislang nur in Katastrophenfällen außerhalb Deutschlands eingesetzt wurde. Was ist das Besondere an Ihrem Konzept?

Corinna Blume: Wir haben ein Set aus acht Kisten entwickelt, in denen alles steckt, was nötig ist, um eine pädagogische Kinder- und Jugendbetreuung anzubieten: Bastelmaterial, Lernstoff, Spiele, Musikinstrumente, Ballspiele und vieles mehr. Damit können wir sofort loslegen. Das Material ist kultursensibel gestaltet, zum Beispiel gibt es aus Rücksicht auf Muslime keine Abbildungen mit Schweinefleisch auf Tellern. Und die Kinder müssen keine bestimmte Sprache beherrschen, um mitmachen zu können. Betreuer und ehrenamtliche Helfer werden von uns außerdem darin geschult, auf die Bedürfnisse von Kindern in einer Krisensituation einzugehen.

KNA: Wo und wodurch hat sich Ihr Konzept bewährt?

Corinna Blume: World Vision richtet mit den Materialien seit Jahren weltweit Kinderzentren ein, vor allem in großen Flüchtlingslagern. Das große Problem für Kinder dort ist: Es mangelt an Sicherheit, die Sorgen der Eltern dominieren den Alltag, es fehlt an Spielsachen, an Gestaltungsspielraum. Unser Angebot gibt den Kindern die Möglichkeit, zu spielen und auch zu lernen. Die Kinder können sich entwickeln, sich sicher fühlen. Bei Ängstens steht ein Ansprechpartner bereit.

KNA: Was kann Ihr Konzept leisten, das andere Betreuungsformen nicht schaffen?

Corinna Blume: Wir können Kindern aller Altersgruppen helfen, vom Kleinkind bis zum 18-Jährigen. Wir kombinieren das Kinderzentrum mit anderen Projekten, in Oberursel beispielsweise mit einem Willkommenszentrum, wo Deutschkurse angeboten werden, wo es eine Kleiderkammer gibt und sich Ehrenamtliche engagieren. Es ist ein etablierter Treffpunkt. Erwachsene können hier über W-Lan Kontakt zu Angehörigen in der Heimat halten. Und die Kinder werden währenddessen versorgt.

KNA: Warum gehen Sie davon aus, dass diese Erfahrungen auf Deutschland übertragbar sind?

Corinna Blume: Die Situation der Flüchtlinge ist sehr schwierig. In den Erstaufnahmeeinrichtungen warten die Flüchtlinge oft lange auf ihre Registrierung, oft auch unterschiedlich lange, ohne dass klar wird, warum. Die Menschen leben auf engstem Raum zusammen. Es herrscht Ungewissheit: Wann werde ich weitergeschickt und wohin? In dieser Situation bieten wir einen Rückzugsraum.

KNA: Warum haben Sie sich für Oberursel entschieden - ein beschauliches Taunus-Städtchen vor den Toren Frankfurts?

Corinna Blume: In den großen Städten wie Frankfurt kommen zwar mehr Flüchtlinge an als in kleinen und auf dem Land. Dort gibt es aber auch deutlich mehr Hilfsangebote. Im Taunus zum Beispiel, wo Oberursel liegt, sind nicht so viele Organisationen aktiv und die Wege sind länger. Die Stadt hat uns um Hilfe gebeten. Die Koordination klappt gut. Wir arbeiten außerdem eng mit den Kirchengemeinden und der Caritas zusammen.

KNA: Wie kann Ihr Konzept die Lage der Flüchtlinge in Oberursel verbessern?

Corinna Blume: Es hilft den Jugendlichen, ihre Tage zu strukturieren, die Kultur, Sprache und Umgebung kennenzulernen. Jüngere bereiten wir auf den Kindergarten oder die Schule vor, vermitteln Sprachkenntnisse und Erwartungen.

KNA: Planen Sie, das Konzept auch in anderen deutschen Kommunen anzuwenden und wie schnell kann das gehen?

Corinna Blume: Wir planen, das Projekt auszuweiten. Wir sind im Gespräch mit großen Aufnahmelagern, etwa in Darmstadt und in Gießen. Aber der Bedarf ist größer als unsere Leistungsfähigkeit. Wir arbeiten deshalb daran, auch Flüchtlingskindern in kleineren Einrichtungen zu helfen. Wir wollen sie mit einem Spielmobil erreichen, das die Orte anfährt. So könnten wir ein größeres Gebiet abdecken.

Jonas Krumbein


Quelle:
KNA