Die elf Jahre alte Laila stellt sich in der Krippe auf Bethlehems Manger-Platz mal neben Maria, mal neben das Schäfchen, um sich von ihrer Mutter fotografieren zu lassen. Für ein paar Minuten lässt es der palästinensische Wachsoldat geschehen, dann schickt er die Familie freundlich wieder hinter die Absperrungen. Familie Maswade ist aus Jordanien zu Besuch. Sie sind zwar selbst keine Christen, trotzdem sind der riesige Weihnachtsbaum und die hölzerne Krippe, die für das Fest schon bereitstehen, auch für sie eine Attraktion.
In Bethlehem ist die Vorweihnachtszeit die wichtigste für das Geschäft mit den Touristen, doch in diesem Jahr sind kaum Fremde in der Stadt. "Es ist schade", sagt Manhal Bahar vom Tourismusministerium. "Man wird ganz traurig, wenn man auf die Straße geht und sieht, wie leer alles ist um diese Zeit." Schon im vergangenen Jahr sei der Besucherstrom nach dem Gazakrieg drastisch eingebrochen. "Diesmal ist es noch schlimmer, denn es gibt Warnungen", sagt Bahar. "Diese Intifada spielt sich hier auf der Straße ab." Sonst finden den ganzen Dezember über allabendlich Veranstaltungen auf dem Manger-Platz statt mit Tanz- und Musikgruppen, diesmal gab es "keine einzige".
Gefährliche Straßen
Beruhigende Worte an die Pilger fand der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, in seiner vorweihnachtlichen Pressekonferenz. Die Christen aus aller Welt würden respektiert und von allen Seiten wertgeschätzt, sagte das Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land. Im Gedenken an die Opfer der neuen Gewalt solle das Fest indes bescheidener ausfallen als gewöhnlich. Die Kirchen sind außerdem gehalten, für fünf Minuten die Lichter zu löschen. War zu Beginn der neuen Gewaltwelle mit Messerattacken Jerusalem Konfliktherd, so verschob sich zuletzt das Zentrum der Gewalt in die Region zwischen Bethlehem und Hebron.
Narjis Dagamin aus Hebron hätte gern ihre beiden sechs und acht Jahre alten Kinder mit nach Bethlehem gebracht, um ihnen die Stadt bei den Vorbereitungen auf das christliche Fest zu zeigen. Aber "die Straßen sind zu gefährlich", sagt die junge Mutter, "und meine Kinder haben Angst an den militärischen Kontrollpunkten". Dagamin ist selbst Muslimin, trotzdem kommt sie jedes Jahr in der Adventszeit nach Bethlehem. "In Hebron wird Weihnachten überhaupt nicht gefeiert", sagt sie und posiert mit ihrer Schwester und zwei Freundinnen für das obligatorische Foto vor dem Baum. Islam und Christentum seien "verwandte Religionen", sagt die junge Palästinenserin. "Beide stehen für Nächstenliebe." Auch unter den Juden gäbe es "natürlich gute Leute", wenn nur die Regierung in Jerusalem eine andere wäre. Das wünschte sie sich.
Kostenfreie Shuttle-Busse
Tourismusministerium und Stadtverwaltung lassen trotz der fehlenden Pilgerströme nichts unversucht, um Weihnachten in der Geburtsstadt Jesu zu einem gelungenen Fest werden zu lassen. "Es gibt auf dieser Welt etwas, das den Frieden verdient", lautet die Weihnachtsbotschaft der Bürgermeisterin Vera Baboun. "Der Schlüssel zum Weltfrieden liegt hier im Heiligen Land", findet die palästinensische Christin. Baboun: "Die Kirchenglocken und die Gebetsrufe der Moscheen singen die himmlische Melodie des Friedens."
Besser als sonst klappt über die Weihnachtstage die Kooperation mit den israelischen Behörden, die an Heiligabend Touristen kostenfreie Shuttle-Busse für die Fahrt von Jerusalem nach Bethlehem bieten. Mit "Zigtausenden Besuchern" rechnet Israels Tourismusministerium trotz der angespannten Sicherheitslage. Schon am Mittag öffnen die Soldaten das Tor in der Grenzanlage, um den feierlichen Einzug des Patriarchen nach Bethlehem zu ermöglichen.
Fokus auf Touristen aus Afrika
Selina Giacaman will auf dem Platz vor der Geburtskirche auf ihn warten. Die elfjährige Tochter eines Souvenirhändlers freut sich vor allem auf den Weihnachtsmorgen, denn erst dann gibt es die Geschenke. "An Heiligabend müssen wir im Geschäft sein", sagt das quirlige Mädchen in fließendem Englisch. In der Werkstatt nebenan wird noch an einer riesigen Jesusfigur geschliffen. Rund 20 solcher Statuen kann Vater Issa Giacaman jährlich absetzen. "An Touristen und auch an Kirchen", wie er sagt. Giacaman setzt in diesem Jahr auf die Christen, die aus Äthiopien und Eritrea nach Israel geflüchtet sind. "Sie geben zwar nicht viel aus, aber es kommen viele", weiß der Händler. Doch dessen Glück ist es, dass zweimal Weihnachten gefeiert wird. Am 6. Januar kommen die orthodoxen christlichen Pilger.