Film "Ich bin dann mal weg" kein Vergleich zum Buch

Zum Wegsehen und Weglaufen

Das Buch war ein Mega-Erfolg und hat das Pilgern wieder ins Gespräch gebracht. Mit Spannung haben viele Fans auf die Verfilmung von "Ich bin dann mal weg" gewartet. An Heiligabend startet der Film in den Kinos - und ist leider eine Enttäuschung.

Autor/in:
Horst Peter Koll
Devid Striesow und Hape Kerkeling bei der Premiere / © Jens Kalaene (dpa)
Devid Striesow und Hape Kerkeling bei der Premiere / © Jens Kalaene ( dpa )

Hape Kerkelings Buch über seine Erlebnisse bei einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg war eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Zwei Jahre lang dominierte es die Sachbuch-Hitliste - wohl in Ermangelung einer passenderen Kategorie, denn Kerkeling ging weder sachlich noch gar dokumentarisch mit seiner Reise um. Er beobachtete vielmehr betont persönlich - mal launig, mal nachdenklich, in jedem Fall aber sehr unterhaltsam - das meist mehr touristisch als religiös geprägte Treiben um ihn herum.

Um die meisten explizit christlichen Pilger machte der seinerzeit ausgebrannte und erschöpfte Entertainer ohnehin lieber einen Bogen, weil er sie nicht als lernfähig erachtete: Sie würden als "die gleichen Menschen die Reise beenden, als die sie sie begonnen haben". Viel lieber beobachtete er die Sonderlinge wie auch das Besondere in den Details, die auf seinem Weg lagen und in denen sich seine eigene Befindlichkeit, seine Orientierungs- und Ratlosigkeit spiegelten.

In Kerkelings sanften, betont "menschlichen" Betrachtungen über (Sinn-)Suche und Toleranz konnten sich Millionen von Menschen wiederfinden; sie lösten sogar einen angeblich messbaren "Kerkeling-Effekt" aus - das liebenswürdige Reisetagebuch soll zahlreiche Deutsche auf den Weg nach Santiago de Compostela geführt haben.

Film streift Fragen nach Gott nur am Rande

Wie aber lässt sich ein solch luftiger Stoff für die große Leinwand verfilmen? Vor allem, so lautete wohl die Strategie, sehr, sehr niederschwellig, damit sich auch ja keiner durch eine vom Buch abweichende visuelle oder narrative Eigenständigkeit düpiert fühlen könnte. Was im Endeffekt vor allem nur zu einem führte: zu einem gänzlich überflüssigen Kinofilm, der rein gar nichts zu erzählen hat, das Buch zwanghaft dekorativ bebildert und sich weder visuell noch thematisch irgendetwas Eigenes zutraut.

Existenzielle Fragen nach Gott oder der eigenen Existenz, die, in welcher Weise auch immer, auf einen Urgrund oder auf religiöse Empfindungen verweisen, gibt es im Buch durchaus. Im Film dagegen kommen sie allenfalls als kokette Bonmots und launige Kalenderweisheiten daher, die stets haarscharf neben der von Kerkeling beabsichtigten Liebenswürdigkeit aufschlagen und ins tiefe Loch des Banalen stürzen.

Lichtblick: Striesow trifft Kerkelings Tonfall

Die weiten Landschaften des Pilgerwegs werden von der Kamera stoisch links liegen gelassen, die Unbequemlichkeiten der Massenabfertigung geraten zu flüchtigen Nebensächlichkeiten. Und die Schicksale der Mitwanderer, besonders das der am frühen Krebstod ihrer Tochter leidenden Stella, reichen gerade mal für peinlich oberflächliche Rührseligkeiten, wie man sie eher vom "Traumschiff und vergleichbaren Fernsehserien kennt. Deren Publikum haben die Filmemacher scheinbar auch als wichtigste Zielgruppe auserkoren. Warum sonst spielen sie ebenso konsequent wie schamlos auf der Klaviatur kunstgewerblicher Nichtigkeiten, die nichts bewirken, außer dass sie wertvolle Lebenszeit rauben?

Bewundernswert ist allein die stoische Ergebenheit von Devid Striesow als Hape Kerkeling, der sich aus künstlichen Fettpolstern und wirrem Zottelbart "herauswandert" und mitunter verblüffend präzise Kerkelings Tonfalls trifft, ohne dabei unangenehm als Kopie aufzufallen. Allein Striesow hat der Film einen gewissen Charme zu verdanken - aber auch die Erkenntnis, wie sehr seine großartigen mimischen Talente in einer erschreckend zahnlosen Kommerzproduktion verbrannt werden, die das Wort "Kinofilm" nicht verdient.


Quelle:
KNA