"Für die Todesstrafe gibt es keine Rechtfertigung. Jedenfalls nicht aus der Sicht christlicher Ethik", schrieb der bayerische evangelische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Samstagabend auf Facebook. Er hoffe, dass der Konsens zwischen unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen wachse, dass es nur eine Antwort auf solche staatlich sanktionierten Tötungen gebe: "Todesstrafe abschaffen!".
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte die Exekutionen des oppositionellen schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr und weiterer 46 Menschen wegen des Vorwurfs des Terrorismus scharf und bezweifelte Fairness in dem Prozess. Zugleich rief er angesichts der Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten in der Region zur Besonnenheit auf. Scharfe Kritik an den Hinrichtungen äußerte auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Die Europäische Union lehne die Todesstrafe grundsätzlich ab. Auch im Kampf gegen Terrorismus müssten die Menschenrechte gewahrt bewahrt bleiben. Ähnlich wie Ban äußerte sie sich besorgt über ein Aufflammen der Spannungen in der Region und rief die Verantwortlichen zur Zurückhaltung auf.
Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, erklärte, er sei tief besorgt über die Hinrichtungen, die dem weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe gegenüberstünden. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), teilte über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, er sei entsetzt. Jede Hinrichtung sei eine zu viel.
UN: Internationale Maßstäbe verletzt
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hat die Vollstreckung der Todesstrafe an Nimr al-Nimr kritisiert. Weder bei dem schiitischen Geistlichen noch bei anderen der insgesamt 47 Hingerichteten seien die strengen Maßstäbe internationalen Rechts für die Todesstrafe erfüllt gewesen, erklärte Said Raad al-Hussein am Sonntag in Genf. Unter den "schwersten Verbrechen", für die die Todesstrafe als zulässig erachtet werde, verstehe man durchweg "Mord und andere Formen vorsätzlicher Tötung". Zudem seien ein ordentliches und faires Gerichtsverfahren sowie volle Transparenz Voraussetzung. Todesurteile seien "gewissenlos", wenn sie auf "unter Folter und Misshandlung erhaltenen Bekenntnissen oder Verfahren unterhalb internationaler Standards" basierten, so Hussein.
Der Menschenrechtskommissar äußerte sich besorgt über den starken Anstieg von Hinrichtungen in Saudi-Arabien. Im vergangenen Jahr seien dort mindestens 157 Menschen exekutiert worden; 2014 seien es 90 gewesen, in den vorhergehenden Jahren weniger. Jetzt seien "fast ein Drittel der Gesamtzahl von 2015 an einem einzigen Tag hingerichtet" worden. Hussein sprach von einer "beunruhigenden Entwicklung" vor allem angesichts dessen, dass einige der Exekutierten nicht wegen Gewalttaten angeklagt gewesen seien. Zudem sorge er sich, ob "in allen Fällen" die Grundsätze eines fairen Verfahrens einschließlich des Rechts auf Verteidigung eingehalten worden seien.
Hussein rief Saudi-Arabien zu einem Moratorium für Todesstrafen auf. Die Regierung in Riad solle mit den Vereinten Nationen und anderen Partnern an Alternativen zum Kampf gegen Terrorismus zusammenarbeiten, so der Menschenrechtskommissar. Seit 2007 hat UNO-Vollversammlung in mehreren Resolutionen eine Aussetzung der Todesstrafe und deren langfristige Abschaffung verlangt.
Saudische Botschaft im Iran gestürmt
Als Reaktion auf die Hinrichtungen in Saudi-Arabien haben Demonstranten in der Nacht zum Sonntag die saudische Botschaft in Teheran gestürmt. Dabei kam es auch zu einem Brand, den die Feuerwehr laut der iranischen Nachrichtenagentur FNA jedoch als klein bezeichnete. Verletzt wurde den Angaben zufolge niemand. 40 Personen seien festgenommen worden, teilte Teherans Staatsanwaltschaft am Sonntag mit.
Laut iranischen Medien hatten sich am späten Samstagabend Hunderte vor dem Botschaftsgebäude versammelt, um gegen die Vollstreckung der Todesurteile in Saudi-Arabien zu protestieren, unter anderem die des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr. Im Iran stellen die Schiiten die religiöse Mehrheit. Die Sicherheitskräfte hätten dem Druck der Menge schließlich nicht standhalten können, hieß es. Einzelne hätten Brandsätze und Feuerwerkskörper geworfen. Dadurch sei es in dem Gebäude zu einer Gasdetonation gekommen.
Den Berichten zufolge wurden auch Botschaftsräume verwüstet und die saudische Flagge heruntergerissen. Vor dem saudischen Konsulat in der iranischen Stadt Maschhad kam es ebenfalls zu Protesten. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums rief laut Medienberichten vom Sonntag zur Ruhe auf und appellierte an die Bürger, Demonstrationen zu unterlassen. Die Polizei sprach ein Kundgebungsverbot vor der saudischen Botschaft aus.
Letzte vergleichbare Massenhinrichtung war 1980
Die Todesurteile in Saudi-Arabien waren nach Angaben der staatlichen saudischen Nachrichtenagentur SPA wegen Terroraktivitäten und Anstiftung zu Gewalt verhängt worden. Den meisten Hingerichteten wurde vorgeworfen, an Attentaten der Terrororganisation Al-Kaida beteiligt gewesen zu sein. Al-Nimr gehörte zu den Wortführern in den Protesten des Arabischen Frühlings 2011; er hatte eine Autonomie für die schiitisch geprägten Regionen im Osten des Königreichs verlangt.
Die letzte Massenexekution dieses Umfangs in Saudi-Arabien fand 1980 statt. Damals wurden 63 Rebellen wegen eines Angriffs auf die Große Moschee in Mekka hingerichtet. Im Jahr 2015 vollstreckte die saudische Justiz laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch 158 mal die Todesstrafe; das ist die höchste Zahl in über zwei Jahrzehnten.