Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat in Vietnam mit Regierungsvertretern und Abgeordneten Menschenrechtsfragen erörtert. Wie die Bischofskonferenz am Dienstag in Bonn mitteilte, ging es bei den Unterredungen in Hanoi um Probleme der Religionsfreiheit. Marx hält sich seit Sonntag zu einem achttägigen Besuch in der Volksrepublik auf. Nach Angaben der Bischofskonferenz will er sich dort über "eine wachsende Kirche in einer schwierigen Lage" informieren.
Vietnam plant, das Verhältnis von Staat und Religion erstmals auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Die vietnamesischen Bischöfe bemängeln jedoch die verschiedenen im Parlament vorgelegten Gesetzentwürfe. Auch aus Sicht internationaler Einrichtungen sind sie unzureichend, weil sie nicht durchgehend den internationalen Standards zum Schutz von Religionsfreiheit entsprächen, zu denen sich auch Vietnam verpflichtet hat.
Registrierungspflichten für die Kirche werden möglicherweise abgeschafft
Marx zeigte sich der Mitteilung zufolge erfreut über Verbesserungen wie die faktische Aufhebung der Zugangsbeschränkungen für Priesterseminare oder Verwaltungserleichterungen für die katholische Kirche, die ihr eine stärkere Sichtbarkeit in der Gesellschaft ermöglichten. Noch werde die Kirche durch umfangreiche Registrierungspflichten behindert. Ein zentraler Streitpunkt ist nach Angaben der Bischofskonferenz, ob die Aktivitäten von Diözesen und Kirchengemeinden auch künftig staatlicher Zustimmung bedürfen. Ebenso hänge beispielsweise die Errichtung von Pfarreien noch immer von der Genehmigung durch Regierungsstellen ab.
Religionspolitische Vertreter des Parlaments und des staatlichen Religionskomitee hätten im Gespräch mit Marx in Aussicht gestellt, diese Registrierungspflichten im neuen Religionsgesetz deutlich abzuschwächen, heißt es in der Mitteilung. Dies würde aus Sicht der Kirche in Vietnam einen großen Schritt zur Umsetzung der Religionsfreiheit bedeuten.
Marx reist in Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt weiter
Marx äußerte sich im Anschluss an die politischen Unterredungen dankbar, "dass wir die Position der Kirche in einem offenen Austausch einbringen konnten". So habe er "an internationale Einsichten und an Erfahrungen erinnert, die in Europa hart errungen wurden". Gerade die Religionsfreiheit sei auch für den Transformationsprozess in Vietnam von herausragender Bedeutung, so der Kardinal. Der Beitrag der Kirche in Vietnam etwa zu Gesundheitsversorgung und Bildung könnte noch wirksamer sein, wenn der Staat die Voraussetzungen für ein ungehindertes Engagement schaffte, betonte Marx. Nach dem Programm in Hanoi reist er in die Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt weiter.
Von den 91 Millionen Einwohnern Vietnams sind Schätzungen zufolge etwas über 8 Prozent Christen. Die mit Abstand größte Gruppe unter ihnen stellen Katholiken. Deren Zahl bezifferte der Vatikan zuletzt mit 6,6 Millionen. 1975 hatten Vietnam und der Heilige Stuhl ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen. 2011 ernannte Benedikt XVI. den Vatikanbotschafter in Singapur, Erzbischof Leopoldo Girelli, zusätzlich zum nichtresidierenden Repräsentanten für Vietnam.