Schulabgänger, die in der Pflege arbeiten wollen, müssen sich bisher zwischen Klinikjob, Pflegedienst oder Altenheim entscheiden. Das soll sich bald ändern. Am Mittwoch hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeausbildung verabschiedet. Danach soll es künftig nur noch einen Berufsabschluss geben. Alle Pflegeschülerinnen und -schüler sollen eine Ausbildungsvergütung bekommen. Bisher zahlen sie mancherorts noch Schulgeld. Außerdem soll ein Pflegestudium eingeführt werden.
Das Gesetzesvorhaben ist Teil einer umfassenden Modernisierung der Pflege. Ziel ist es, die bisher getrennten Ausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zusammenzuführen. In der Branche ist das Vorhaben umstritten. Gerechnet wird mit Mehrkosten von 320 Millionen Euro. Die neue Pflegeausbildung wird den Plänen zufolge drei Jahre dauern. Die künftigen "Pflegefachfrauen" und "Pflegefachmänner" sollen angemessen vergütet werden; das bisher teilweise noch zu zahlende Schulgeld soll entfallen. Ergänzend vorgesehen ist eine dreijährige Pflegeausbildung an Hochschulen mit erweiterten Ausbildungszielen und einem akademischen Grad. Das Gesetz soll im Verlauf dieses Jahres verabschiedet werden, um den Ländern genügend Zeit zu geben, die Einführung der generalistischen Ausbildung 2018 vorzubereiten. Der Bundesrat muss der Reform zustimmen.
Betreuung in der Familie immer schwieriger
Pflegeexperten weisen darauf hin, dass alle Reformen wenig nützten, wenn der Pflegeberuf nicht attraktiver gemacht werde. Bis 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen um die Hälfte auf knapp 3,5 Millionen Menschen steigen, 2050 werden es bereits 4,5 Millionen sein. Schon heute fehlt qualifiziertes Personal in Krankenhäusern und Heimen:
Allein in der Altenpflege wird der Mangel auf rund 30.000 geschätzt. Und die Betreuung von Pflegebedürftigen in der Familie wird immer schwieriger. Die Bertelsmann Stiftung geht im 2012 veröffentlichten «Pflegereport 2030» gar von einer halben Million an fehlenden Fachkräften aus. Auch in der Krankenpflege wird Personal gesucht, der Mangel ist aber nicht ganz so groß. Zudem wächst hier der Bedarf weniger stark als in der Altenpflege. Vom drohenden Pflegenotstand ist die Rede. Schon heute wirbt die Bundesrepublik im Ausland Pflegekräfte an. Ohne Migranten werde es "eine nicht schließbare Lücke" an Pflegekräften geben, erklärte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im vergangenen Sommer.
Im Schuljahr 2013/2014 absolvierten insgesamt 133.000 Auszubildende eine der drei derzeitigen Pflegeausbildungen, 62.000 davon in der Altenpflege. Ziel einer Zusammenlegung der Ausbildungen soll es sein, die Pflegeberufe attraktiver zu machen und Berufswechsel innerhalb der Branche zu ermöglichen. Zudem verweisen Befürworter darauf, dass sich die Aufgabengebiete immer stärker überlappen: Pflegekräfte im Krankenhaus müssen immer häufiger mit Demenzkranken umgehen, Pflegekräfte in Altenheimen brauchen verstärkt krankenpflegerische Kompetenzen. Für den Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), gibt es noch einen politischen Grund: Er verspricht sich davon, dass die Pflegeberufe eine stärkere Stimme im Gesundheitssystem erhalten - sie stellen die größte Berufsgruppe dort.
Caritas und Diakonie: "Die richtige Antwort"
Die generalistische Pflegeausbildung ist allerdings in der Branche umstritten. Pflege- und Wohlfahrtsverbände begrüßten den Schritt. Nach Einschätzung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie ist die Gesetzesvorlage "die richtige Antwort auf die veränderten Anforderungen, die sich durch die demografischen Veränderungen für das Gesundheitssystem ergeben". Demgegenüber erklärt etwa das Bündnis für Altenpflege: "Das geplante Gesetz führt zur Gefährdung der Versorgungsqualität." Damit würde die Altenpflege faktisch abgeschafft. "Altenpflege heißt Langzeitpflege und -begleitung. Das erfordert eine spezielle Ausbildung."
Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) warnt vor einer "Verflachung" der Kenntnisse. Eine generalistische Ausbildung führe "zwangsläufig zu verflachtem Wissen - und zwar einseitig zulasten der Altenhilfe", sagt bpa-Chef Bernd Meurer. Er befürchtet, dass junge Leute, die mit dem Wunsch des Altenpflegers angetreten sind, dann doch in die vermeintlich attraktivere und teilweise besser bezahlte Krankenpflege wechseln. Die Kinder- und Jugendärzte schlagen ebenso Alarm. "Die Pflege kranker Kinder wird sehr darunter leiden; dies wird zu einem deutlichen Qualitätsverlust in der Pflege führen." Die hohe Spezialisierung sei notwendig, um zum Beispiel Frühchen fachgerecht versorgen zu können.