In dem von dem schweren Erdbeben im vergangenen April zerstörten nepalesischen Dorf Kuttal in den Himalajahügeln nahe der Stadt Dhulikhel geht es langsam aufwärts. "Die Menschen haben bereits in Eigeninitiative mit dem Wiederaufbau begonnen", berichtet Arno Coerver, der in Nepal die Erdbebenhilfe von Malteser International organisiert.
Eigeninitiative ist die gefragteste Eigenschaft in den Erdbebengebieten. Denn seitens der Behörden herrschte zuletzt weitgehend Tatenlosigkeit. Die versprochenen umgerechnet rund 2.000 Euro für Familien, deren Häuser zerstört wurden, blieben ebenso aus wie die angekündigten Kredite für den Wiederaufbau.
Nach Angaben des Regionaloberen der Jesuiten in Nepal, Pater Boniface Tigga, leiden vor allem die Armen unter der derzeitigen Lage. Die Situation der Menschen sei "chaotisch und miserabel", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur.
Leid Folge der Politik
Das Leid der Erdbebenopfer ist eine direkte Folge der nepalesischen Politik. Im vergangenen Juli trat in Nepal eine neue Verfassung in Kraft, von der sich vor allem die Volksgruppe der Madhesi im südlichen Tiefland an der Grenze zu Indien benachteiligt fühlte. Aus Solidarität mit den Madhesi schloss Indien die Grenze zu Nepal, das jedoch fast vollständig von den dortigen Importen abhängig ist.
"Das Handelsembargo hat gewaltige humanitäre Auswirkungen", sagt Prakash Khadka, Sprecher von Caritas Nepal. "Durch die akute Benzinknappheit ist es für Hilfsorganisationen schwierig, Hilfsgüter und Baumaterial in die betroffenen Regionen zu transportieren." Durch die indische Blockade seien die Preise für Benzin und Gas um das Vierfache gestiegen, beklagt auch der Jesuit Tigga. Die Situation werde durch die allgegenwärtige Korruption noch verschärft. "Trotz all des Leids nehmen die Nepalesen die Situation gelassen. Es hat bisher keine Proteste gegen die Regierung gegeben", so Tigga.
Harter Winter im Himalaja
Probleme bereitet auch das Wetter in den Himalajabergen. "Der Winter ist hart. Viele Menschen leben in Zelten und Notunterkünften. Es hat viele Tote gegeben", sagt Malteser-MItarbeiter Coerver.
Durch die Wirren der nepalesischen Politik verzögerte sich die Bildung einer Wiederaufbaubehörde. Auf der Strecke blieb so auch die Nutzung der von Regierungen und Vereinten Nationen zugesagten mehr als vier Milliarden US-Dollar für die Wiederaufbauhilfe. Es grenzt an ein Wunder, dass Hilfsorganisationen trotzdem helfen konnten.
Jesuiten, Malteser und Caritas helfen
"Die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zugesagten Gelder sind vom verspäteten Mittelabruf der nepalesischen Regierung glücklicherweise nicht betroffen", berichtet Matthias Meyer, Deutschlands Botschafter in Nepal. Zu den geplanten Maßnahmen der deutschen Entwicklungshilfe gehören für 2016 unter anderem der Wiederaufbau von Krankenhäusern, Schulen sowie des historischen Tempels in Bhaktapur.
Die Caritas, die Jesuiten und die Malteser können dank der Spendengelder Hilfsgüter in die betroffenen Regionen bringen und Notunterkünfte bauen. Beim Wiederaufbau sind ihnen jedoch die Hände gebunden. "Ohne klare Maßgaben der Behörden können wir nicht planen", sagt Malteserexperte Coerver. "Wir fühlen uns hilflos", sagt Pater Tigga und fügt hinzu: "Wir sind allen Menschen dankbar, die trotz aller Widrigkeiten mit ihrer Zeit und ihren Mitteln den Opfern in Nepal helfen." Man hoffe und bete, dass auch die Behörden bald aktiv würden.