domradio.de: Was ist Ihnen wichtig in der aktuellen Debatte um die Flüchtlingspolitik?
Kardinal Woelki: Wichtig ist die Unterscheidung zwischen dem weiterhin geltenden individuellen Recht auf Asyl für politisch und religiös Verfolgte und Kriegsflüchtlinge und einer politisch gesteuerten Zuwanderung. Die Kirchen kritisieren seit langem, dass das Asylrecht keine Möglichkeit darstellt, um die Armutsbekämpfung in der Welt voranzubringen. Es ist dringend notwendig, dass Möglichkeiten für eine legale Einwanderung geschaffen werden. Das würde auch das Problem der Schlepper eingrenzen.
domradio.de: Welches ist Ihre Hauptforderung in diesem Kontext?
Kardinal Woelki: Es muss ein Einwanderungsgesetz her, das eine Arbeitsmigration ermöglicht und den Menschen die Teilhabe am Wohlstand.
domradio.de: Die Kirche stellt Millionenbeträge für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung, das Engagement der Ehrenamtlichen hält an. Wie beurteilen Sie das?
Kardinal Woelki: Das Geld ist das eine, es ist aber nicht das Wichtigste. Was es wirklich braucht, ist ein menschliches Gesicht, das menschliche Miteinander. Wir müssen im Flüchtling Christus erkennen lernen. Das ist unsere Aufgabe als Kirche. Das Recht auf Asyl ist in der Heiligen Schrift grundgelegt und auch die Flüchtlingsarbeit. Das ist kirchliche Arbeit, und da müssen Christen vorangehen.
Unsere Ehrenamtlichen machen eine ungeheuer tolle Arbeit, ohne die wäre vieles gar nicht machbar in unserem Land momentan. Diesen Menschen muss auch geholfen werden, damit sie die Kraft finden und nicht erlahmen. Wir müssen den Flüchtlingen auf Augenhöhe begegnen. Wir müssen Lehrer einstellen, Kindergartenplätze und Wohnprojekte schaffen, damit Integration gelingen kann. Es dürfen keine sozialen Ghettos entstehen, sonst haben wir die Problematik der sozialen Brennpunkte in Hochhaussiedlungen. Es müssen kleine Wohneinheiten sein, wo Kontakte mit der deutschen Bevölkerung möglich sind.
domradio.de: Viele Flüchtlinge wollen ja auch wieder zurück in ihre Heimat.
Kardinal Woelki: Sie haben ein Recht auf ihre Heimat, die sie aufgrund von Krieg und Terror verlassen mussten. Wir müssen jetzt schon Resettlement-Programme auflegen, Anreize schaffen, dass Flüchtlinge zurückgehen können. Wir müssen dazu beitragen, dass die Menschen ihre Heimat wieder neu aufbauen können und sie dafür qualifizieren. Damit sie ein neues, demokratisches und rechtsstaatliches Syrien schaffen können. Nach Beendigung des Krieges muss die Möglichkeit bestehen, dass die Menschen dorthin zurückkehren können.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.