Klare Worte des Papstes an Mexikos Grenze zu den USA

"Nie wieder Tod und Ausbeutung!"

In der Grenzstadt Ciudad Juarez hat Papst Franziskus seine Mexikoreise beendet. Er hielt eine Messe an der Grenze, sprach mit Gefangenen und Arbeitern und verurteilte "moderne Sklaverei", Schlepperbanden und Zwangsmigration. 

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Papst Franziskus in der Grenzstadt Ciudad Juarez / © Alessandro Di Meo (dpa)
Papst Franziskus in der Grenzstadt Ciudad Juarez / © Alessandro Di Meo ( dpa )

Seinen Abschied von Mexiko wollte Papst Franziskus nicht am Flughafen von Mexiko-Stadt nehmen, sondern von einem Ort am äußersten Rand - an der "Peripherie", wie das in der Sprache des argentinischen Papstes heißt. Ausgewählt hat er dafür die nördliche Grenzstadt Ciudad Juarez, die nur durch einen hohen Zaun vom südtexanischen El Paso getrennt ist.

Ihr Name stand in den vergangenen Jahren für all das, was die scharf bewachte Grenze zwischen Nord und Süd, zwischen Reich und Arm hervorbringt: An diesem Ort warten Tausende Migranten aus Südmexiko und Zentralamerika auf eine Gelegenheit zum Grenzübertritt. Verbrecher-Syndikate verdienen ihr Geld mit Menschenschlepperei, Prostitution und Drogenschmuggel. Und in den mehr als 300 "Maquiladoras", den grauen Fabriken mit wenig Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechten, werden für geringe Löhne Halbfertigprodukte für den nordamerikanischen Markt gefertigt.

Sozialpolitische Botschaften setzen

In dieser Stadt wollte der Papst sich nicht nur von Mexiko verabschieden, er wollte auch seine stärksten sozialpolitischen Botschaften setzen. Seine Worte sollten denen noch lange in den Ohren klingen, die von der Unrechtssituation und der Not der anderen profitieren. Worte, mit denen er die Profiteure - wie ein Prophet des Alten Testaments - zur Umkehr aufruft. 

Drei Orte und Situationen hat er dafür ausgewählt: das Gefängnis "Cereso 3" mit rund 3.000 Gefangenen, eine Begegnung mit Arbeitern und Unternehmern und schließlich eine Messe in der Nähe des Grenzzauns, der Mexiko und die USA trennt. 

Sätze, die in Erinnerung bleiben

In Ciudad Juarez sagte Franziskus am letzten Tag seiner Mexikoreise Sätze wie diese: "Gott wird von den Sklavenhaltern unserer Zeit Rechenschaft fordern!" Und: "Welche Luft werden unsere Kinder atmen? Eine von Korruption, Gewalt, Unsicherheit und Misstrauen vergiftete - oder eine, die in der Lage ist, Alternativen hervorzubringen?" Die Migration von Süd nach Nord beschreibt er als einen "Weg, der von schrecklichem Unrecht belastet ist, auf dem unsere Brüder versklavt, entführt, erpresst und zum Opfer von Menschenhandel werden".

Und dann sagte er in Anlehnung an die berühmte Rede von Papst Paul VI. vor den Vereinten Nationen im Jahr 1965 einen Satz, der vielleicht einmal als der Papstappell von Ciudad Juarez in die Geschichtsbücher eingehen wird: "Nie wieder Tod und Ausbeutung!", rief er unter dem Beifall Hunderttausender Mexikaner und Migranten und fuhr mit Blick auf die Ausbeuter fort: "Es gibt immer eine Zeit zur Umkehr, es gibt immer einen Ausweg!"

Für ein "System sozialer Gesundheit"

Wie die Propheten des Alten Testaments blieb Papst Franziskus nicht stehen bei der Kritik der Missstände und bei der Anklage gegen die Ausbeuter. Er rief sie auf zur Umkehr und er benennt Alternativen zur bestehenden Ungerechtigkeit. Bei den Strafgefangenen sprach er von Wegen der Resozialisierung. Der Teufelskreis von Gewalt und Kriminalität lasse sich letztlich nicht durch Isolierung, Abschiebung und Inhaftierung brechen, sagte er vor Hunderten Häftlingen.

Gefordert sei eine Resozialisierung, die nicht erst im Gefängnis beginne, sondern die in den Stadtvierteln, Schulen, auf den Straßen und in den Familien ein "System sozialer Gesundheit" schaffe.

Gegen Ausbeuterei und Profitstreben

Vor den Arbeitern und Unternehmern warb er für eine Sozialpartnerschaft im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft, von der alle profitieren. Die Wirtschaft werde heute von einem Profitstreben um jeden Preis auf Kosten der Arbeitenden beherrscht, sagte er. Beschäftigte dürften nicht Kapitalinteressen untergeordnet und wie Wegwerf-Objekte ausgebeutet werden, so Franziskus. "Gott wird von den Sklavenhaltern unserer Tage Rechenschaft fordern, und wir müssen alles uns Mögliche tun, damit diese Situationen nicht weiter vorkommen."

Als eine Geißel des herrschenden Wirtschaftssystems prangerte Franziskus die hohe Jugendarbeitslosigkeit an, die in einigen Regionen Mexikos bei über 50 Prozent liegt. Die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit bezeichnete er als Nährboden, um in die Spirale von Rauschgifthandel und Gewaltkriminalität zu geraten.

Zwangsmigration als globales Phänomen

Später lobte Franziskus vor den Menschen an der Grenze den Einsatz der vielen Freiwilligen und der Ordensleute, die sich oft unter hohem persönlichen Risiko für die illegalen Migranten einsetzen. Viele der Migranten legten per Zug, auf der Straße oder zu Fuß Hunderte Kilometer durch Gebirge, Wüsten und andere unwirtliche Gegenden zurück, so der Papst. "Diese menschliche Tragödie, die die Zwangsmigration darstellt, ist heutzutage ein globales Phänomen." Verantwortlich für die Massenmigration seien Armut und Gewalt, Drogenhandel und organisierte Kriminalität. Mangelhaften Rechtssystemen fielen vor allem die Ärmsten der Armen zum Opfer, sagte Franziskus in seiner Predigt. Sie litten nicht nur unter Armut, sondern überdies unter Ungerechtigkeit, die Jugendliche in eine "Spirale der Gewalt und der Hölle der Drogen" treibe.

Vor dem Beginn der Messe legte der Papst an dem Grenzzaun Blumen zu Füßen eines Holzkreuzes nieder, das an die Todesopfer der Grenze erinnert. Dabei segnete er ein Paar Turnschuhe eines Migranten, der beim Versuch, den Zaun zu überwinden, ums Leben gekommen war. Die USA, an deren Südgrenze er seine Botschaften verkündet, erwähnte der Papst erst am Ende seiner Predigt, als viele der zuhörenden Gläubigen zu Tränen gerührt waren. Er grüßte die mehreren Zehntausend Katholiken, die im benachbarten El Paso in einem Footballstadion die Messe auf Großbildschirmen verfolgt hatten. Er sagte: "Dank der Hilfe der Technik können wir gemeinsam beten, singen und die barmherzige Liebe Gottes feiern und das, was zu teilen keine Grenze uns hindern kann."

Schweigen zur aktuellen US-Debatte

Zur aktuellen politischen Debatte in Washington über legale und illegale Migration äußerte er sich nicht. Umso nachdrücklicher machte er den Mexikanern mit einem Abschiedsgruß noch einmal Mut und forderte sie auf: "Sorgt dafür, dass diese mexikanische Gesellschaft nicht im Dunkeln bleibt. Seid Propheten des Morgen, seid Zeichen eines neuen Sonnenaufgangs." 

Mit diesen Gesten und Worten in Ciudad Juarez endete eine spektakuläre Mission, bei der Papst Franziskus das größte spanischsprachige Land von Süd nach Nord durchquert und die unterschiedlichsten Konfliktzonen besucht hat. Mit seinem vierten intensiven Aufenthalt in Lateinamerika hat er unterstrichen, dass er einen spürbaren Beitrag zur geistigen und politischen Veränderung seines Heimatkontinents leisten will. Weitere Lateinamerikareisen des Papstes, unter anderem nach Kolumbien und Argentinien, werden in den nächsten Jahren erwartet.


Papst Franziskus mit einem Häftling / © Gabriel Bouys (dpa)
Papst Franziskus mit einem Häftling / © Gabriel Bouys ( dpa )
Quelle:
KNA