Auf die Frage, ob katholische Intellektuelle derzeit etwas zum Diskurs beitrügen, sagte di Lorenzo: "Die Stimme der christlichen Kirchen ist leiser geworden." Andererseits könne sich Papst Franziskus "über mangelnde Resonanz nicht beklagen". Kirchen bräuchten "nicht nur Intellektuelle, sondern auch Charismatiker", so der Journalist. Es sei ein Verlust für die evangelische Kirche, dass die frühere Bischöfin Margot Käßmann nicht "mehr in Amt und Würden" sei.
Der "Zeit"-Chefredakteur äußerte sich auch zu den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln. Sie sind nach Ansicht di Lorenzos nicht nur ein "Wendepunkt" für Deutschland, sondern auch für den Journalismus. "Es ist unbegreiflich, dass ein Ereignis, das in der Nacht von Donnerstag auf Freitag stattfindet, erst am Montag in den Medien Niederschlag findet. Das darf uns nicht noch einmal passieren", sagte di Lorenzo. In den Tagen danach sei dann allerdings "hervorragend" berichtet worden.
"Themen dürfen nicht ausgeblendet werden"
"Ein Journalismus, der bestimmte Themen nicht stattfinden lässt aus Angst, das könnte die Falschen munitionieren, macht sich angreifbar", betonte di Lorenzo. Themen dürften nicht ausgeblendet werden. Über Menschen, die von Medien als "Lügenpresse" sprechen, sagte er: "Es ist unsere Aufgabe, durch gute und transparente Arbeit diejenigen, die anfangen zu zweifeln, wieder darin zu bestärken, dass wir in Deutschland ganz hervorragende Medien haben, und das in einer großen Vielzahl."
Di Lorenzo erklärte, die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" soll möglichst auch über die bis 2017 vereinbarte Kooperation hinaus unter dem Dach der Wochenzeitung erscheinen. "Ich werde alles dafür tun, dass es so ist", sagte di Lorenzo. "Das hängt nicht nur an mir; aber dass ich an diesem Projekt hänge, hat sich, glaube ich, herumgesprochen." Auf dem Markt gebe es nichts Vergleichbares. Di Lorenzo bezeichnete die Beilage als "unabhängiges, diskursfreudiges, engagiertes, intelligentes christliches Blatt".
Die in Bonn erscheinende Beilage "Christ & Welt" war aus dem 2010 eingestellten "Rheinischen Merkur" hervorgegangen. Ende 2015 verließ die bisherige Redaktionsleiterin Christiane Florin die Beilage.