domradio.de: Wie viel Hoffnung geht von dieser historischen Begegnung aus?
Bischof Dr. Gerhard Feige (Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof von Magdeburg): Ich sehe diese Begegnung als ein großes Hoffnungszeichen für die Ökumene. Natürlich gibt es so manche Fragen, wie diese Begegnung zustande gekommen ist, welche Motive auf beiden Seiten dazu geführt haben, ob da nicht vielleicht eine gewisse Instrumentalisierung mit im Spiel ist. Aber ungeachtet all dieser Bedenken und Fragen sage ich: Es war wichtig, dass die beiden sich getroffen haben. Das wird auch positive Auswirkungen haben, davon bin ich fest überzeugt. Eine solche Begegnung war eigentlich längst fällig.
domradio.de: Sie hatten nach der Begegnung erklärt, das Treffen werde sicherlich auch Auswirkungen auf die theologische Diskussion zwischen den Kirchen haben. Was meinen Sie damit konkret?
Feige: In dieser Erklärung steht auch, dass zahlreiche Hindernisse noch andauern, aber es ist ein Zeichen gesetzt; ein Signal, dass man ökumenisch zusammenarbeiten will. Das halte ich für sehr wichtig, weil es ja auch innerorthodox manche Widerstände gibt. Das hat sich immer wieder gezeigt, wenn ein Papst sich mit dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel getroffen hat. Da gab es dann auch sehr kritische und distanzierende Stimmen. Manche Bewegungen innerhalb der Orthodoxie sind noch nicht sehr aufgeschlossen für die Ökumene. Deshalb, meine ich, war es sehr wichtig, dass der russische Patriarch, der immerhin für eine große Zahl von orthodoxen Gläubigen steht, jetzt ein solches Zeichen gesetzt hat.
domradio.de: Der Grund für diese große Kirchenspaltung im Mittelalter waren ja theologische und politische Streitigkeiten, vor allem, dass die Kirche im Osten den Autoritätsanspruch des Papstes nicht anerkannte. Die beiden Kirchenoberhäupter haben jetzt erklärt, die von Gott gewollte Einheit aller Christen müsse wiederhergestellt werden. Ist das Utopie oder ist das lang- oder kurzperspektivisch gedacht? Kann die Spaltung überwunden werden - ja oder nein?
Feige: Ich glaube ja. Franziskus hat bei der Begegnung auch gesagt, dass sich die Einheit im Unterwegssein bildet. Man darf die Sache also nicht schwarz-weiß malen, sondern es sind vielmehr verschiedene Facetten. Wir sind auf einem guten Weg. Wir sind sehr dicht beieinander. Uns verbindet nicht nur das erste Jahrtausend, sondern viel mehr. Ich meine, dass wir durchaus die Chance haben, auf diesem Weg gut weiterzukommen. Wie lange es noch dauert, bis es zu einer Kommuniongemeinschaft kommt, wage ich nicht zu sagen. Aber wir sind sehr dicht beieinander.
domradio.de: Das Treffen wird ja allgemein als wichtiges Signal gesehen. Muss man denn nicht aufpassen, dieses Treffen nicht überzubewerten?
Feige: Sicherlich. Es ging vor allem in der Erklärung auch um soziale und ethische Probleme. Es ging um die Verteidigung christlicher Werte. Dazu möchte ich bemerken, dass sicherlich auf beiden Seiten teilweise unterschiedliche Vorstellungen existieren. Aber ich meine schon - auch im zwischenkirchlichen Sinn ist das ein Ereignis gewesen, das uns voranbringen wird.
domradio.de: Sie sind ja auch Aktionsausschuss-Vorsitzender des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis. Hat ein solches Treffen auch Auswirkungen auf die Arbeit eines Hilfswerks, das die Verständigung mit Christen in Osteuropa im Fokus hat?
Feige: Wir haben bei Renovabis vor allem natürlich römisch-katholische und griechisch-katholische Gemeinden, Bistümer und Projekte im Blick. Von da kommen auch die meisten Anträge. Aber es gibt auch einige aus orthodoxer Richtung. Die bearbeiten wir auch sehr wohlwollend. Wir sind daran interessiert, dass eine Unterstützung von Seiten Westeuropas nicht noch mehr zu einer Spaltung beiträgt, sondern, dass sie der Versöhnung und den Menschen vor Ort dienen soll.
Das Interview führte Bernd Knopp.