Konvikt Bad Münstereifel: Projektgruppe legt Zwischenbericht vor

Gewalt gehörte zur Lebensrealität

Seit einem Jahr arbeitet das Erzbistum Köln den Missbrauchsskandal im Jungenkonvikt Bad Münstereifel wissenschaftlich auf – mit Beteiligung der Betroffenen. Der Zwischenbericht offenbart das Ausmaß der Übergriffe.

Collegium Josephinum (bis 1997) (DR)
Collegium Josephinum (bis 1997) / ( DR )

Ein Jahr nach Beginn des Projekts steht fest: Im Collegium Josephinum in Bad Münstereifel hat es mehrfach Gewalt gegen Jungen in unterschiedlicher Form gegeben. Wie das Erzbistum mitteilte, haben das die inzwischen zahlreichen Gespräche und Interviews mit Ehemaligen ergeben.

Zu den berichteten Gewalttaten zählten demnach sexuelle Übergriffe, sexueller Kindesmissbrauch beziehungsweise Missbrauch von Schutzbefohlenen. Außerdem habe es körperliche Gewalt wie Ohrfeigen, Fausschläge und Tritte sowie psychische Gewalt gegeben  - etwa durch verbale Demütigungen und Abwertungen.

Betroffene leiden bis heute

Nach Angaben des Erzbistums beeinflusste Gewalt bis weit in die 1970er Jahre die Lebensrealität von offensichtlich nicht wenigen Kindern und Jugendlichen im Internat. Manche Betroffenen litten bis heute an den seelischen Folgen. Erst ab Mitte der 1980er Jahre könne von einem Ende der Gewalt im Collegium Josephinum gesprochen werden. Ehemalige dieser Zeit berichteten den Wissenschaftlern fast durchgängig über eine sehr fürsorgliche und wohlwollende Betreuung und Erziehung im Internat.

Die Schilderungen der Betroffenen zeigen, dass die Gewalt nicht die Tat eines Einzelnen war. Stattdessen wurden bislang insgesamt sechs Fachkräfte in unterschiedlichen Positionen beschuldigt, heißt es vom Erzbistum. Zudem stehe eine weitere Lehrkraft im Fokus, die außerhalb des Internats Nachhilfe erteilt hat.

Mehr Interviews mit Ehemaligen geplant

Das Projektteam hofft nach eigenen Angaben, dass sich weitere Betroffene an der Aufarbeitung beteiligen. "Es ist uns ein großes Anliegen, Ehemalige des Internats, die Gewalt erfahren haben, zu einem kleinen Schritt aus der gefühlten Isolation zu helfen", erklärte die wissenschaftliche Projektleiterin Prof. Dr. Claudia Bundschuh.

Die Überzeugung 'mit mir stimmt etwas nicht' lasse Opfer häufig glauben, dass sie Wertschätzung, Mitgefühl oder Trost nicht verdient hätten. Für das Projekt sollen deshalb – voraussichtlich bis Ende Mai – noch möglichst viele Ehemalige gehört werden. Der Abschlussbericht ist für Anfang 2017 geplant. 

System des Wegschauens

Ehemalige Schüler des Collegium Josephinum hatten sich 2010 an das Erzbistum gewandt und als Opfer gemeldet. Außerdem berichteten sie, dass es an dem ehemaligen Erzbischöflichen Konvikt, einem 1997 aufgegebenen Internat für Jungen, ein System des Machtmissbrauchs und der Begünstigung, aber auch des Wegschauens gegeben habe.

Aktenkundig sind Fälle seit den 1950er Jahren. Der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, hatte um vergangenen Jahr alle Opfer offiziell um Entschuldigung gebeten. 

(domradio.de, Erzbistum Köln)