domradio.de: Den Papst trifft man nicht alle Tage. Jetzt sind Sie als Ministerpräsident öffentliche Auftritte gewohnt. Gibt es denn trotzdem ein bisschen Aufregung bei Ihnen?
Bodo Ramelow (Ministerpräsident Thüringen, Die Linke): Das geht mir seit ein paar Tagen schon so, dass ich eine gewisse Nervosität habe, weil es etwas ganz Besonderes ist, einmal den Papst zu treffen. Ich war bei Benedikt schon zu einer Generalaudienz. Das war schon eine sehr beeindruckende und sehr bewegende Situation. Dass ich jetzt noch zur Privataudienz bei Franziskus kommen darf, macht mich richtig froh.
domradio.de: Wie wird diese Privataudienz ablaufen?
Bodo Ramelow: Ich werde einmal eine halbe Stunde unter vier Augen mit Franziskus haben. Dann wird es eine weitere halbe Stunde geben, bei der auch der CDU-Landrat aus dem Eichsfeldkreis, eine Mitarbeiterin von der Flüchtlingsarbeit aus Weimar, ein Vertreter aus der Bürgerinitiative "Mitmenschlichkeit", die Staatssekretärin für Europafragen, die sich auch mit den Vorbereitungen des Reformationsjahres beschäftigt und meine Gattin und ich dabei sein werden.
domradio.de: Welche Themen wollen Sie mit dem Papst besprechen?
Bodo Ramelow (Ministerpräsident Thüringen, Die Linke): Wir werden über die Flüchtlingsarbeit sprechen, über die Herausforderung im globalen Maßstab und uns den Fragen widmen: Wie gehen wir mit der Welt um, wie gehen wir mit der Schöpfung um? Ich werde dem Papst eine Bronzefigur von der Heiligen Elisabeth überreichen, die in diesem Sinne sehr symbolisch ist. Sie trifft das Thema Barmherzigkeit, das der Heilige Vater in den Mittelpunkt des Heiligen Jahres gestellt hat. Von der Herkunft ist sie eine ungarische Prinzessin, die in Thüringen, auf der Wartburg, gewirkt hat und dann in Marburg heiliggesprochen wurde. Folglich ist sie eine verbindende Heiligenfigur, die durch ihr Wirken gezeigt hat, dass es keine Grenzen gibt. Ich glaube, es ist ein sehr wichtiges Signal, darüber auch ins Gespräch zu kommen. Ich habe auch die originale faksimilierte Lutherbibel dabei. Es ist die erste deutsche Bibel, die Martin Luther als Katholik geschrieben hat. Er ist katholischer Priester gewesen, der in Erfurt im Dom geweiht wurde und der im katholischen Augustinerkloster zu Erfurt gewirkt hat. Tatsächlich wollte Martin Luther keine neue Kirche gründen. Martin Luther wollte seine Kirche reformieren, aber er wollte vor allen Dingen den Menschen den Glauben wieder näherbringen. Ich glaube es lohnt sich auch im Reformationsjahr darüber zu reden.
Das Reformationsjahr 2017 wird in Thüringen ein ganz besonderes Ereignis sein. Wir laden alle Menschen nach Thüringen, nach Sachsen-Anhalt, nach Wittenberg und nach Berlin ein. Wir haben in Thüringen noch das Achava-Festival, das ist hebräisch und heißt Brüderlichkeit. Dieses Festival ist ein wichtiger Bestandteil für das Reformationsjahr. Wir wollen, dass über Religion, Religiösität und Glauben wieder mehr geredet wird, gerade wenn Menschen aufmarschieren, die angeblich das christliche Abendland verteidigen wollen und jeden Tag nur ausländerfeindliche Hetze betreiben.
domradio.de: Sie sind einer der wenigen Linken-Politiker, die sich zum Glauben bekennen. Sie sind evangelisch, sagen aber, dass im gewissen Sinne Papst Franziskus für Sie auch evangelisch ist. Wie ist das zu verstehen?
Bodo Ramelow: Ich habe gesagt, er ist Protestant aber nicht Protestant im Sinne von evangelisch oder lutherisch, sondern Protestant im Sinne von "protestieren". Jemand der gegen die Verhältnisse auf der Welt nicht einfach schweigend wegschaut oder selber davon profitiert, sondern der sagt: Das geht so nicht. Die Welt haben wir nur einmal, wir können mit ihr nur einmal umgehen. Brüderlichkeit, Menschlichkeit, Geschwisterlichkeit funktionieren nur, wenn man sie im Herzen trägt. Franziskus‘ Aussagen zu Barmherzigkeit sind das zentrale Thema in seinem Pontifikat und deswegen nenne ich das "protestieren". Eben protestieren gegen die Unbarmherzigkeit und darum nannte ich ihn einen Protestanten. Ich will ihn aber nicht für die evangelische Kirche vereinnahmen, sondern würde mich eher freuen, wenn auch nicht nur Kyrill getroffen wird, was ohne Frage ein bahnbrechendes Ereignis war, sondern jetzt müsste es auch darum gehen, dass wir am Ende auch in Richtung des gemeinsamen Abendmahls als Christen weiter vorankommen.
domradio.de: Ihre Partei hat vor ein paar Tagen für Aufsehen gesorgt mit einem Wahlplakat auf dem der Papst zu sehen ist. Warum ist das so? Sehen Sie eine größere Rolle der Religion bei der Linkspartei als früher?
Bodo Ramelow: Ich glaube es ging meiner Partei in Rheinland-Pfalz um das Zitat und Franziskus liefert tatsächlich Zitate, bei denen man merkt, dass das was die katholische Sozialethik und Soziallehre ausmacht doch etwas ist, was auch bis zu den Linken ein gemeinsames Fundament hat. Die Verblüffung war natürlich groß: Wie kann es denn eine linke Partei wagen, den Papst abzubilden und dann noch so ein Zitat dazuzuschreiben.
Eine Woche später hat man auch Kanzler Kohl mit einem Zitat genauso plakatiert. Es lohnt sich einfach über die Fundamente unserer Gesellschaft so zu reden, dass man sie nicht parteipolitisch vereinnahmt. Wenn wir aber die Werte verteidigen wollen, dann müssen Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit die zentralen Werte sein. Unser Grundgesetz, unsere Verfassung schreibt das vor, aber die Form der kalten Unbarmherzigkeit schreitet dann doch manchmal voran. Vielleicht sollten wir in einem der reichsten Länder der Welt mal darüber nachdenken, dass Teilen auch ein Teil unseres Wertekanons sein muss.
Das Gespräch führte Milena Furman.