Das machten der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Freitag bei einem Treffen mit dem Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, in Nürnberg deutlich. Heße betonte, dass sich die Kirchen gerade bei den beschleunigten Verfahren für eine Rechtsberatung einsetzten.
"Jeder Asylsuchende hat Anspruch auf ein individuelles, faires und unvoreingenommenes Verfahren", sagte der Hamburger Erzbischof. Die für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen vorgesehenen beschleunigten Verfahren dürften nicht auf besonders schutzbedürftige Personenkreise wie etwa allein reisende Frauen, traumatisierte Personen oder unbegleitete Minderjährige angewendet werden, forderte Bedford-Strohm. BAMF-Chef Weise sicherte zu, dass eine faire individuelle Prüfung in der Praxis des Bundesamtes sichergestellt sei. Auch besonders Schutzbedürftige hätten einen Anspruch auf ein schnelles Verfahren.
Widerspruch zur Integration
Kritik übten die Kirchenvertreter am beschlossenen Asylpaket II. "Die Einschränkung des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge "steht im krassen Widerspruch zu unserem gemeinsamen Bemühen um Integration", so der EKD-Ratsvorsitzende. Heße verwies auf die Einschränkungen von Abschiebungshindernissen im Krankheitsfall. "Bei der Umsetzung der neuen Regelung muss gewährleistet sein, dass den betroffenen Personen der Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung in ihrem Heimatland tatsächlich offensteht." Weise betonte, dass das BAMF niemanden sehenden Auges einer lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterung aussetzen werde.
Positiv bewertet wurde von beiden Seiten die im Februar 2015 getroffene Vereinbarung zum Kirchenasyl. Das Verfahren solle fortgesetzt werden. Demnach können Gemeinden und Ordensgemeinschaften möglichst im Vorfeld von Kirchenasyl die Schicksale als Härtefälle an das BAMF zur Überprüfung melden.
Kritik von Bertelsmann Stiftung
Asylverfahren in Deutschland können laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung deutlich verbessert und beschleunigt werden. Um den Bearbeitungsstau aufzulösen, müssten die Verfahren von unbegründeten Anträgen entlastet und das Asylsystem für Schutzbedürftige optimiert werden, teilte die Stiftung am Freitag in Gütersloh auf Grundlage einer aktuellen Studie mit.
Pro Asyl warnte hingegen vor "Turbo-Verfahren": Bei einer Schnell-Kategorisierung in aussichtsreiche und weniger aussichtsreiche Fälle komme eine individuelle Prüfung zu kurz. Auch die Diakonie mahnte, weiter auf den Einzelfall zu blicken.
Nach einer aus der Studie abgeleiteten Empfehlung sollten schutzbedürftige Flüchtlinge schneller einen positiven Bescheid bekommen, Asylanträge mit geringen Aussichten hingegen zügiger abgelehnt werden. Verbessert werden könne die Qualität der Verfahren zudem durch Rechtsbeistände. Gemeinden könnten durch Bundeszentren für Flüchtlinge entlastet werden.
Vorbild Schweiz
Die Studie verweist auf das im Jahr 2012 reformierte System in der Schweiz. Dort würden die Verfahren durch eine umgehende Einteilung nach Prioritäten beschleunigt, erklären die Autoren der Studie. So werden eindeutige Fälle schnell positiv oder negativ entschieden, teilweise innerhalb von 48 Stunden. Die Kürze der Verfahren habe dazu geführt, dass Menschen aus bestimmten Ländern nur noch wenige Anträge stellten. Das Aufnahmesystem werde entlastet.
In einer zweiten Kategorie würden komplexere Verfahren erfasst, bei denen weitere Nachforschungen nötig sind, hieß es. Diese Anträge werden der Studie zufolge innerhalb von 140 Tagen entschieden. Der Bund entlaste in der Schweiz die Kantone und Gemeinden, indem die Asylbewerber zunächst zentral in Verantwortung des Bundes untergebracht werden. Zugleich werde die Qualität der Verfahren durch staatlich finanzierte Rechtsbeistände für die Flüchtlinge verbessert.
Pro Asyl skeptisch
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl bewertete die Vorschläge skeptisch. Zwar seien schnellere Asylverfahren wünschenswert, sagte der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovic dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. Jede Art von beschleunigten Verfahren müsse sich aber der Frage stellen, wie Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten sei. Anstelle von "Turbo-Verfahren" innerhalb von 48 Stunden sei "eine vernünftige Gesamtorganisation inklusive personeller Ausstattung" nötig.
Die Diakonie Deutschland unterstützte den Vorschlag einer generellen rechtlichen Vertretung für Asylsuchende. Viele Verfahren scheiterten trotz berechtigter Gründe, weil die Antragsteller das Verfahren nicht verstünden. Beratung und juristischer Beistand könnten dazu beitragen, die Qualität des Asylverfahrens zu verbessern, aber auch, sie zu beschleunigen und unnötige Klageverfahren nach einer Ablehnung zu verhindern. Eine Kategorisierung der Asylsuchenden nach Herkunftsländern bewertete die Diakonie hingegen skeptisch. Das Verfahren richte sich nach einer statistischen Wahrscheinlichkeit der Anerkennung. Das werde dem Einzelfall nicht gerecht.