domradio.de: In Brüssel ist gestern die Chrisam-Messe in der Kathedrale St. Michael und St. Gudula aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Kommt die Absage von Gottesdiensten für den Kölner Dom auch in Frage?
Dompropst Gerd Bachner: Das kommt für uns nicht in Frage. Es kann immer eine Situation geben, in der man spontan handeln muss. Aber derzeit ist das für uns kein Thema. Das Thema Terrror bewegt uns, weil der Terror Deutschland näher kommt und weil es immer wieder neu ein Schock ist. Ich habe gestern und heute einige Mails bekommen, in denen darum gebeten wurde, das Licht am Dom auszuschalten - wie damals bei Kögida. Oder dass man den Dom in den belgischen Nationalfarben anleuchten sollte. Aber wir haben vom Domkapitel gesagt, dass das eine einmalige Aktion war. Sonst verwertet man auch ein solches Zeichen. Aber wir nehmen das Thema in den Gottesdiensten, in den Fürbitten, im Gebet auf. Und auch jetzt in der Liturgie der Karwoche sind die Opfer und deren Angehörige im Gebet natürlich fest eingeschlossen. Das ist unsere erste und wichtigste Reaktion.
domradio.de: Man fragt sich ja auch immer wieder nach solchen Anschlägen, was das mit einem selbst macht...
Bachner: Vorhin war ich in einem Geschäft und da sagte mir die Verkäuferin, die Menschen rückten momentan näher zusammen. Das ist ja schon ein hoher Wert, wenn man jetzt spürt, dass der Nächste der Mensch ist, der mir nahe ist und um den ich mich sorge. Das hat ja auch eine tiefe christliche Dimension. Wenn wir spüren, dass wir zusammenhalten müssen und das uns Kraft gibt, dann ist auch diese Reaktion etwas sehr Wichtiges.
domradio.de: Der Kölner Dom wird jedes Jahr von sechs Millionen Menschen besucht. Ändert sich nach so einem Anschlag wie in Brüssel das Sicherheitskonzept?
Bachner: Nicht erst seit gestern und auch nicht erst seit Paris, sondern schon davor habe ich die Frage des Sicherheitskonzeptes erörtert. Ich bin mit allen Verantwortlichen ständig im Gespräch: Mit den Sicherheitsbehörden, mit der Leitung der Polizei, mit der Feuerwehr, mit dem Ordnungsamt und mit allen Stellen, die für uns wichtig und notwendig sind. Wir haben ein Sicherheitskonzept, aber wir aktualisieren das Konzept natürlich immer wieder. Aber es wäre natürlich nicht richtig, das nach außen zu tragen. Aber wir sind wachsam, wir reagieren auf Situation und fällen Entscheidungen - immer in Kontakt mit den Behörden.
Wir schulen auch unsere Domschweizer, gerade erst vor zwei Wochen hatten wir eine ganztägige Schulung. Worauf muss man achten, worauf muss man aufpassen: Personen, herrenlose Koffer und so weiter. Die Schweizer sind natürlich auch dankbar, dass sie dann wissen, worauf sie achten müssen. Wir tun alles, was möglich ist. Aber es gibt nie die hundertprozentige Sicherheit.
domradio.de: Wird die Freude der Ostertage nach den Anschlägen von Brüssel getrübt?
Bachner: Wenn ich ehrlich bin: Nein. Weil wir als Christen immer wieder das Leid haben. Der Kreuzestod ist an Jesus nicht vorbeigegangen. Es gab keine Auferstehung am Kreuzestod vorbei. Das erfahren wir Menschen im Alltag: Wir haben auf Erden nicht das Paradies. Leid, Not, Elend begleiten uns immer. Mal mehr, mal weniger. Mal näher bei uns, mal entfernter. Aber es gehört dazu. Die Entscheidung ist aber, dass wir das Kreuz, das uns aufgeladen wurde, leben können durch die Botschaft der Auferstehung, durch die Botschaft des Lebens. Dass dieser auferstandene Herr mir die Kraft gibt, mit dem Kreuz zu leben als die Botschaft des Lebens, der Freude, der Gerechtigkeit. Das müssen wir dagegensetzen. Gewalt erzeugt nur mehr Gewalt. Gewalt kann man nur im Einsatz für Gerechtigkeit, für das Leben, für den Nächsten und in der Kraft des Glaubens, dass das Kreuz und der Tod nicht das letzte Wort sind, besiegen.
domradio.de: Was sagen Sie den Menschen, die überlegen, ob sie aus Angst vielleicht doch nicht in den Kölner Dom gehen?
Bachner: Ich würde sagen: Seid nicht ängstlich. Habt Gottvertrauen und geht einfach diesen Weg. In der Tat: Es kann uns immer etwas passieren. Aber wenn wir uns einigeln, dann erreichen die Terroristen genau das, was sie wollen. Wenn wir das nicht mehr ausüben, was unser Leben erfüllt in einem freiheitlichen, demokratischen Staat, in dem Religionsfreiheit eine große Rolle spielt, dann erreichen die Terroristen genau das. Wir müssen aus dieser tiefen Überzeugung des Glaubens genau das dagegensetzen und nicht ängstlich sein. Die Jünger waren auch ängstlich gewesen. Und Jesus hat gesagt: Seid nicht ängstlich, habt keine Furcht, ich bin bei euch.
Das Gespräch führte Silvia Ochlast.