EKD-Vorsitzender Heinrich-Bedford Strohm beim Papst

"Ein Treffen wie unter Brüdern"

Ökumene, Flüchtlinge, Amoris Laetitia: Über diese Themen hat der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm am Donnnerstag mit Papst Franziskus gesprochen. Im domradio.de-Interview berichtet er über ein bewegendes Treffen.

Treffen von Papst Franziskus mit EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm (epd)
Treffen von Papst Franziskus mit EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm / ( epd )

Die persönliche Begegnung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Papst fand im Gästehaus Santa Marta statt, in dem der Papst wohnt. Es war das erste Zusammentreffen der beiden Kirchenführer. Franziskus ist seit drei Jahren im Amt. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm steht seit eineinhalb Jahren an der Spitze der EKD und war im November 2015 wiedergewählt worden. 2017 begeht die evangelische Kirche ein besonderes Lutherjubiläum: 500 Jahre Reformation.

domradio.de: Eine Stunde Privatgespräch, welchen Eindruck hat Papst Franziskus bei Ihnen hinterlassen?

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland): Wir hatten ein sehr herzliches Gespräch, bei dem viel Nähe entstanden ist. Der Papst ist einfach ein Mensch, mit dem man gerne zusammen ist, ganz unabhängig von seiner hohen Position. Wir haben sehr offen und in freundschaftlicher Atmosphäre miteinander geredet. In einer Form, in der die Einheit um Christus herum, die wir als Kirche ersehnen, tatsächlich spürbar war.

domradio.de: Worüber haben Sie mit dem Papst sprechen können?

Bedford-Strohm: Wir haben über Europa gesprochen, über die Flüchtlingsfrage. Wir sind uns darin einig, dass Christus bezeugen heute heißt, dass wir in diesem Europa dafür eintreten, dass es nicht von Stacheldraht und Mauern durchzogen wird. Dass es kein Europa der Abschottung ist, sondern ein Europa, das sich den Menschen öffnet, die aus großer Not vor Terror und Gewalt fliehen. Das haben wir sehr deutlich gemeinsam bekräftigt. Das Wort 'christlich' muss für Europa auch ganz klare Konsequenzen dafür haben, wie sich unser Kontinent gegenüber den Schwachen verhält.

domradio.de: Papst Franziskus setzt große Zeichen für die Ökumene, erst im vergangenen November hat er in der evangelischen Erlöserkirche in Rom einen Gottesdienst gefeiert. Er hat der Gemeinde einen Abendmahlskelch geschenkt, den sonst nur katholische Bischöfe erhalten. Haben Sie über die Ökumene gesprochen?

Bedford-Strohm: Wir haben über den Besuch in der lutherischen Gemeinde Roms gesprochen, wir haben auch über den Kelch gesprochen. Papst Franziskus hat bekräftigt, was er damals schon gesagt hat: Redet miteinander, redet mit Christus, und dann schreitet mutig voran.

domradio.de: Es wurden die Gemeinsamkeiten betont?

Bedford-Strohm: Ich glaube, dass zunächst erst mal sehr deutlich spürbar ist, dass wir gemeinsam um Christus herum sind. Der Papst hat ein sehr gutes und wichtiges Wort gebraucht, er sagte: „Wir sind gemeinsam auf dem Weg:“ Wie schnell dieser Weg geht, und wann er vielleicht auch mal am Ziel der sichtbaren Einheit ist, das kann niemand sagen. Aber dass wir auf dem Weg sind und auf diesem Weg Schritte tun müssen, das ist ganz klar, und darüber sind wir uns auch einig.

domradio.de: 2017 steht das Lutherjahr an, 500 Jahre Reformation. Wie steht der Papst dazu?

Bedford-Strohm: Wir haben gemeinsam unsere Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Papst am 31. Oktober dieses Jahres in Lund gemeinsam mit dem Lutherischen Weltbund einen Gottesdienst feiern wird. Zur Eröffnung des Jubiläumsjahres wird es erstmals einen Gottesdienst geben, der von den Spitzen der lutherischen und katholischen Kirche gemeinsam gefeiert wird. Das ist ein großes und klares Zeichen. Und wenn wir in Berlin den gemeinsamen Gottesdienst zur Eröffnung des Jubiläumsjahres in Deutschland feiern, dann werden wir mit großer Freude nach Lund winken und uns mitfreuen, dass dort auf der Weltebene ein ganz vergleichbarer Gottesdienst stattfindet.

domradio.de: Sie haben ungefähr eine Stunde mit Franziskus sprechen können. Wie muss man sich das vorstellen? Wie war die Gesprächsatmosphäre?

Bedford-Strohm: Der Papst hat teilweise Deutsch, teilweise Italienisch gesprochen. Ich war überrascht und sehr beeindruckt von seinem guten Deutsch. Im Gespräch habe ich langsam auf Deutsch meine Fragen gestellt, und Franziskus hat auf Italienisch geantwortet. Das Italienische hat dann Kardinal Walter Kasper, der auch anwesend war, wo es nötig war, noch übersetzt. Es war ein sehr dynamisches und einfach herzliches Gespräch. Vor allem war es unkompliziert. Ich werde dieses Gespräch sehr dankbar in Erinnerung behalten. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Gespräch in der Zukunft auch fortsetzen werden.

domradio.de: Sie haben die Sorge um Europa angesprochen. Wie groß sind die Gemeinsamkeiten von katholischer und evangelischer Kirche beim Thema Flüchtlinge?

Bedford-Strohm: Ich habe meine große Freude und Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht. Meine Dankbarkeit über das Dokument, das der Papst auf Lesbos gemeinsam mit dem Erzbischof von Athen, Hieronymus II., und dem ökumenischen Patriarchen, Bartholomeos I., unterzeichnet hat. Ich habe mir dieses Dokument sofort zu eigen gemacht. Ich habe es über soziale Netzwerke auch selbst weiter verbreitet. Dieses Dokument ist ein starkes Zeichen der verschiedenen Traditionen der Christenheit. Es macht deutlich: Wenn sich Europa wirklich seinen humanitären Werten verpflichtet fühlt, wenn es wirklich seine christlichen Wurzeln ernst nehmen will, dann muss es solidarisch zusammen handeln in der offenen Aufnahme von Flüchtlingen. Auch in der Verteilung der Lasten. Wenn Menschen vor Terror und Krieg fliehen müssen, verdienen sie es, würdig behandelt zu werden. Und dabei müssen wir alle mithelfen. Das ist die Botschaft, die wir als Kirchen in die Welt hineingeben.

domradio.de: Im Vorhinein des Gespräches haben Sie sich lobend, aber auch kritisch, zum kürzlich veröffentlichten Papstschreiben Amoris Laetitia geäußert. Ist das beim Gespräch mit Franziskus zur Sprache gekommen?

Bedford-Strohm: Wir haben auch über Amoris Laetitia gesprochen. Ich habe auch da zum Ausdruck gebracht, dass ich diesen Grundansatz unterstütze, dass die Moral dem Menschen gemäß sein muss, dass man nie über die besonderen Lebenssituationen von Menschen hinweggehen darf, dass man nicht richten über andere Menschen darf, dass das Scheitern etwas ist, das uns allen im Leben begegnen kann. Das alles habe ich bekräftigt und es dankbar unterstrichen. Insofern gibt es da eine große Gemeinsamkeit, die ich bisher in dieser Deutlichkeit so noch nicht gesehen habe. Darüber freue ich mich. Wir haben auch über die Passage gesprochen, die sich auf das gemeinsame Abendmahl bezieht. Da hat der Papst nochmals dieses Wort vom 'Vorangehen' bekräftigt, vom Weg, den wir gemeinsam gehen. Am Ende unseres Gespräches haben wir auch gemeinsam gebetet.

domradio.de: Hat sie irgendetwas bei diesem Treffen mit Franziskus überrascht?

Bedford-Strohm: Die Unkompliziertheit des Umgangs miteinander habe ich sehr dankbar wahrgenommen. Da war kein Gefühl von weltweitem Kirchenoberhaupt gegenüber einem Bischof aus einem Land. Es gab für ihn keine Unterschiede in der Wertigkeit. Es war einfach eine geschwisterliche Begegnung. Wir sind uns begegnet wie Brüder. Das macht mir Hoffnung. Wenn das möglich ist, dass wir jenseits der konfessionellen Grenzen auch wirklich ausstrahlen, dass wir Christen so miteinander umgehen. Jenseits der Hierarchien, die die Menschen immer wieder aufrichten. Der Inhalt wie auch die Atmosphäre dieses Gespräches waren einfach verheißungsvoll.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR