2016 sei bislang kein gutes Jahr für die Meinungsfreiheit, sagt Peter Limbourg. Der Intendant der Deutschen Welle äußerte sich, als am Montag die Preisträger des Wettbewerbs "The Bobs - Best of Online Activism" bekanntgegeben wurden. Bereits zum zweiten Mal in Folge wird ein Projekt aus Bangladesch ausgezeichnet. Nach Einschätzung von Experten ist das südasiatische Land kein guter Ort für die Meinungsfreiheit.
Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza sorgte vor drei Jahren für weltweite Schlagzeilen, der Tod von über 1.100 Fabrikarbeitern entfachte eine Debatte über Produktion und Konsum von Kleidung. Ansonsten stößt der Nachbarstaat Indiens nur selten auf breites Interesse. 160 Millionen Menschen leben in Bangladesch, 90 Prozent von ihnen sind Muslime. Der Islam ist Staatsreligion, doch anderen Religionen werden nach dem Prinzip des Säkularismus dieselben Rechte eingeräumt.
Auf der Rangliste weit unten
Seit Monaten jedoch kursiert eine Todesliste, die vermutlich von islamischen Extremisten stammt. Das "Ansarullah Bangla Team" gilt als Teil von Al-Kaida und wird für mehrere Morde an säkularen Bloggern verantwortlich gemacht.
Über 20 Namen standen zuletzt auf der Todesliste: Blogger und Autoren, Verleger und Aktivisten. Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) leben die Betroffenen im Exil. Die Verfasser der Liste rufen die Regierung Bangladeschs dazu auf, diesen "Feinden des Islam" die Staatsbürgerschaft zu entziehen; andernfalls werde man sie auch im Exil verfolgen und töten. Auf der aktuellen ROG-Rangliste der Pressefreiheit belegt Bangladesch Platz 146 von 180 untersuchten Ländern.
"Lage verschlechtert sich weiter dramatisch"
Im vergangenen Jahr töteten die Islamisten sechs prominente Blogger. Einer von ihnen war Avijit Roy. Sein Blog "Mukto Mona", der kritisch über säkulare und wissenschaftliche Themen berichtet, erhielt wenige Monate nach seinem Tod den Preis für Soziale Veränderungen im Rahmen der "Bobs". Seine Witwe, Rafida Bonya Ahmed, nahm ihn entgegen. Sie hoffe, dass die Auszeichnung "die Moderatoren und Schreiber nicht nur unseres Blogs ermutigt", sagte sie damals.
Inzwischen ist die Aktivistin selbst Mitglied der "Bobs"-Jury. In diesem Jahr wird die Dokumentation "Razor's Edge" (dt. Messers Schneide) ausgezeichnet. Der Beitrag des Filmemachers Nastiker Dharmakatha beleuchtet die Situation atheistischer Blogger in Bangladesch. Dass erneut ein Projekt aus ihrer Heimat geehrt wird, freut Ahmed allerdings nicht. Es sei vielmehr ein Beleg dafür, dass sich die Lage vor Ort "weiter dramatisch verschlechtert".
Bischöfe: "Kritische Journalisten werden mundtot gemacht"
Allein in den vergangenen fünf Wochen habe es vier tödliche Angriffe gegeben, berichtet sie. Im April war es in der bengalischen Hauptstadt Dhaka zu Protesten und Straßenblockaden gekommen - nach einem Mord an einem islamkritischen Blogger. Kritiker werfen der Regierung Bangladeschs vor, nicht entschieden gegen gewaltbereite Muslime vorzugehen.
Denn die Extremisten sind nicht das einzige Problem. Der Medienbeauftragte der Bischöfe des Landes, Joyanto Gomes, sagte vor kurzem dem asiatischen katholischen Pressedienst Ucanews, die Regierung wolle kritische Journalisten mundtot machen. So gab es in jüngerer Vergangenheit wiederholt Strafverfahren gegen Kritiker der regierenden Awami-Liga.
"Nirgendwo mehr sicher"
Zuletzt wurde der prominente Redakteur Shafik Rehman verhaftet, was Menschenrechtler als Warnung an alle Kritiker interpretierten. Zwei regierungskritische Journalisten sitzen bereits in Haft: Mahmudur Rahman, Redakteur der Tageszeitung "Amar Desh", und Shawkat Mahmud, führendes Mitglied des Journalistenverbands von Bangladesch.
Im vergangenen November forderte der UN-Hochkommissar der Menschenrechte, Zeid Ra'ad Al Hussein, die Regierung Bangladeschs auf, alles zu tun, um jene zu schützen, die von Extremisten bedroht werden. Dies betrifft nicht nur Medienschaffende: In den vergangenen Monaten wurden auch Christen, Schiiten und Hindus wiederholt Opfer von Angriffen. Säkulare Aktivisten, Lehrer und Angehörige von Minderheiten, so formuliert es Rafida Bonya Ahmed, seien "nirgendwo mehr sicher".