Nach den Vorwürfen der AfD gegen die Flüchtlingshilfe der Kirchen erhalten christliche Helfer Rückendeckung mehrerer Bundesminister. Die AfD "beleidigt die vielen tausend Kinder, Jugendlichen, Frauen und Männer in den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden, die sich in der sozialen Arbeit - auch in der Flüchtlingshilfe - engagieren", sagte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) am Freitag in Berlin. "anstatt selbst etwas zu tun" versuche die Partei, das Land zu spalten und beleidige diejenigen, die sich solidarisch verhielten. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU) wiesen die Kritik der AfD scharf zurück.
Der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron hatte in einem Gastbeitrag für die "Huffington Post" die These vertreten, das Engagement von katholischer und evangelischer Kirche für die Flüchtlinge sei von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Die Amtskirchen verdienten über ihre Wohlfahrtsverbände "alleine an der Flüchtlingskrise mehrere Milliarden Euro pro Jahr". Deshalb hätten die beiden Kirchen "aus kommerziellen Gründen" ein "massives Interesse" an weiterer Zuwanderung.
De Maizière: Beledigung für hunderttausende Ehrenamtliche
De Maizière sagte am Freitag auf dem Katholikentag in Leipzig, wenn in dieser Weise Kritik geübt werde, "ist das eine Beleidigung für die Caritas und die hunderttausenden Ehrenamtlichen, die da arbeiten". Es habe ihn "ziemlich empört", was Bystron gesagt habe. Gröhe warf der AfD vor, die kirchlichen Flüchtlingshelfer zu verunglimpfen. "Dass der Ausgrenzungshaltung gegenüber Menschen, die aus Not fliehen, nun die Beleidigung derer folgt, die in eindrucksvoller Weise haupt- und ehrenamtlich helfen, zeigt, wes Geistes Kind diese Leute sind", sagte Gröhe der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe). Gröhe ist Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Auch Kirchenvertreter hatten die AfD-Vorwürfe zurückgewiesen. Die christlichen Kirchen in Deutschland hätten kurzfristig einen zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt, sagte ein EKD-Sprecher. Angesichts dieses Kraftakts und des ehrenamtlichen Engagements vieler hunderttausend Menschen in den Kirchen entbehrten solche Äußerungen jeglicher Grundlage. Eine Sprecherin der Diakonie sagte: "Diese Äußerungen zeugen von Unkenntnis und Verzerrung."
Kardinal Woelki: Gestörte Realitätswahrnehmung bei der AfD
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat der AfD eine "gestörte Realitätswahrnehmung" vorgeworfen. Dies hätten nicht zuletzt Äußerungen aus der Partei zur kirchlichen Flüchtlingspolitik deutlich gemacht, sagte er am Freitag auf dem Katholikentag. Woelki plädierte beim Besuch des Standes des Erzbistums Köln für eine Auseinandersetzung der Politik mit der Partei. Auch den Medien komme die Aufgabe zu, sehr pointiert aufzuzeigen, wo "diese angebliche Alternative für Deutschland" nicht mehr mit der Verfassung und ihren Grundwerten übereinstimme und wo sie sich in reinem Rechtspopulismus ergehe.
Woelki verteidigte das Engagement der Kirche für Flüchtlinge. Sie habe ein Prophetenamt, sich für die Ärmsten der Armen einzusetzen. Der Erzbischof warnte davor, angesichts rückläufiger Flüchtlingszahlen nach dem EU-Türkei-Abekommen die Probleme als gelöst zu betrachten. Hunderttausende Afrikaner dränge es weiterhin, über den gefährlichen Weg über das Mittelmeer vor Krieg und Terror zu fliehen.
Der Kardinal verwies auf UN-Zahlen, wonach 125 Millionen Menschen weltweit Hilfe benötigen. Rund 60 Millionen Menschen, davon die Hälfte Kinder, seien wegen gewaltsamer Konflikte aus ihrer Heimat vertrieben worden. Nur ein Bruchteil von ihnen bekomme Europa jetzt zu Gesicht, weil sie überwiegend in Nachbarländer flüchteten.
Kardinal Woelki dankt den Ehrenamtlichen
Die Hilfe für diese Menschen dürfe nicht nur von Politik und Organisationen kommen, so der Erzbischof. Er bekundete Dankbarkeit für rund 20.000 Ehrenamtliche, die im Erzbistum Köln die Aktion Neue Nachbarn unterstützten. Notwendig sei auch, dass Verbraucher sich dafür einsetzen, dass möglichst viele Menschen auf der Welt in Wohlstand leben könnten und auf Waren verzichteten, die unter erbärmlichen Produktionsbedingungen entstanden seien.
Besondere Verantwortung haben nach Ansicht Woelkis auch die Wähler. Verunsicherung, Ausgrenzung oder gar Hass eröffneten keine Zukunft, weder für Deutschland noch für die Weltgemeinschaft. Der Kardinal: "Die vielfältigen Probleme können wir nicht ohne und noch weniger gegen unsere Mitmenschen in aller Welt lösen."
Meuthen: AfD hat keine kirchenfeindliche Haltung
Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen wehrt sich gegen den Vorwurf, seine Partei lehne Religion und Kirche generell ab. "Die AfD hat keine kirchenfeindliche Haltung, dazu haben wir auch zu viele gläubige Christen in unseren Reihen", sagte Meuthen der Deutschen Presse-Agentur. Der gläubige Katholik zeigte gleichzeitig Verständnis für die harsche Kritik seines Parteikollegen Petr Bystron an der katholischen und evangelischen Kirche und seiner Unterstellung gegenüber den Kirchen, über ihre Wohlfahrtsverbände "unter dem Deckmantel der Nächstenliebe" ein Milliardengeschäft mit der Flüchtlingskrise zu machen. "Das ist schon so", bestätigte Meuthen die Sicht seines Parteifreunds.
Da sich die Kirchen "nicht gerne in die Bücher schauen lassen", sei es aber schwer, an detaillierte Informationen zu den Aktivitäten der kirchlichen Verbände zu kommen, sagte Meuthen, der auch Vorsitzender der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag ist. Die Kirchenführer mischten sich für seinen Geschmack auch zu stark in politische Fragen ein, "und verstehen davon zu wenig".
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatte die AfD von den Diskussionsveranstaltungen des 100. Deutschen Katholikentags in Leipzig ausgeschlossen, der noch bis Sonntag andauert.