Die katholische Telefonseelsorge in Köln sucht Ehrenamtliche

Wie die Anonymität hilft

Die katholische Telefonseelsorge in Köln hilft Menschen in Krisen: Bei Streit in der Familie oder schweren Krankheiten zum Beispiel. Leiterin Annelie Bracke erzählt im domradio.de-Interview, wie die Gespräche mit den Trostsuchenden sie bereichern.

Für Menschen in Krisen: Telefonseelsorge / © Oliver Berg (dpa)
Für Menschen in Krisen: Telefonseelsorge / © Oliver Berg ( dpa )

domradio.de: Wenn jemand bei Ihnen anruft, wie läuft dann so ein Telefonat ab?

Annelie Bracke (Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge Köln): Jedes Gespräch ist anders. Aber in der ersten Phase hören wir erstmal zu und versuchen zu erfassen, worum es dem oder der anderen geht. Der Einstieg ist sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen, die ganz fürchterlich weinen, und wir lassen sie dann erstmal eine Weile und versuchen ganz vorsichtig herauszubekommen, worum es geht. Andere tasten sich heran und fragen: 'Wie mache ich das bei Ihnen, darf ich einfach losreden?' Andere sind mitten im Thema, als hätten sie gerade schon mit jemanden gesprochen. Jeder fängt auf seine Weise an und wir versuchen uns einzuschwingen.

domradio.de: Was haben die Menschen für Probleme, die bei Ihnen anrufen?

Bracke: Die Probleme betreffen alles, was im Leben vorkommen kann. Alle persönlichen Sorgen und Nöte. Bei vielen Themen geht es um Konflikte und Fragen in Familie und Partnerschaft. Oder es geht um Einsamkeit: Wenn man niemanden hat und sich gerne mit jemandem austauschen würde.

Es geht sehr oft um körperliche Krankheiten. Manchmal auch um Menschen, die nicht mehr lange zu leben haben. Es rufen viele an, die schwerer psychisch erkrankt sind und damit irgendwie zurechtkommen müssen. Oft geht es auch um Konflikte am Arbeitsplatz und finanzielle Sorgen. Wir haben auch Kinder und Jugendliche mit alterstypischen Problemen: Schul- und Leistungsdruck, Mobbing, manchmal auch Missbrauch.

domradio.de: Der Mensch auf der anderen Seite spielt eine große Rolle: Der Zuhörer. Stellt man sich da mit Namen vor?

Bracke: Nein, wir bleiben am Telefon anonym. Niemand sagt seinen Namen und auch der Anrufende muss seinen Namen nicht nennen. Einige nennen ihren Namen. Aber wir wissen ja auch nicht, ob das der richtige Name ist. Und der wird auch nicht festgehalten. Diese Anonymität auf beiden Seiten ermöglicht einen offenen und schnellen Zugang zu den Themen, um die es geht. Hilfreich ist natürlich auch, dass es ein kostenfreier Anruf ist. 

Wir erleben es so, dass viele sehr schnell mitten ins Thema gehen und sich trauen, Dinge direkt ansprechen. Bei einer professionellen Beratungsstelle bräuchte das vielleicht etwas mehr Zeit. Man fühlt sich ja geschützt und wenn man den Eindruck hat, der andere versteht mich nicht, kann man schnell auflegen. Das ist manchmal schade für uns. Aber es ist auf jeden Fall ein niedrigschwelliger Zugang und da ist die Anonymität wichtig. 

domradio.de: Warum helfen Sie bei der Telefonseelsorge? Was bringt es Ihnen, anderen Leuten am Telefon zuzuhören?

Bracke: Ich begegnen ganz unterschiedlichen Menschen, die in der Regel sehr offen sind. Die sich mit ihrem Leben zeigen und mit denen ich in Kontakt kommen kann. Denen ich vielleicht helfen kann, sich selbst ein bisschen zu verstehen, ruhiger zu werden, vielleicht Trost zu finden oder einen nächsten Schritt oder eine neue Perspektive zu sehen. Das findee ich befriedigend. Wobei natürlich nicht jedes Gespräch ein gutes Ende hat. Manchmal muss man auch viel aushalten und loslassen und akzeptieren, dass jemand Schritte noch nicht machen kann. Jemanden zu haben, der sich anvertraut, und da behutsam nach neuen Sichtweisen zu suchen, das finde ich sehr bereichernd. Da entdeckt man auch immer viel von sich selbst.  

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Das ganze Interview können Sie sich in der Audio-Datei unter diesem Text anhören. Annelie Bracke erzählt darin, was ehrenamtliche Helfer bei der Telefonseelsorge erwartet.


Quelle:
DR