Bernhard Pfeiffer stellt eine Art Schuhkarton auf den Tisch. "Das ist topsecret", raunt er und holt ein Papierpäckchen aus der Schachtel. Er nennt sie seine "Schatztruhe". Als er das Papier entfaltet sieht man - Knochenreste. Das kann man gruselig finden. Für Pfeiffer ist es Teil seines Jobs.
Der 61-Jährige hat einen Stand auf einem Antik-Markt in der Dortmunder Westfalenhalle. Überall sieht man Antiquitäten, Trödel, Tand. Pfeiffers Spezialgebiet sind Reliquien. Sprich: vermeintliche Überreste jener Menschen, die Katholiken als Heilige verehren. Knochen, Haare, Stofffetzen von ihrer Kleidung, so etwas. Es ist ein ziemlich schillerndes Gewerbe, so viel kann man schon mal sagen.
Welch inniges Verhältnis die katholische Kirche immer noch zu ihren Reliquien hat, ist zuletzt in Köln deutlich geworden. Am vergangenen Wochenende verschwand im Dom ein Läppchen mit einem Blutstropfen von Papst Johannes Paul II.. Die Kirchenprominenz war in heller Aufregung.
"Irregeleitetes Gemüt"
"Ich kann mir nur vorstellen, dass irgendein irregeleitetes religiöses Gemüt dahintersteckt", vermutete Kardinal Joachim Meisner in der "Welt". Das Läppchen hatte in einer Kapsel gesteckt und war aus einer Statue herausgebrochen worden. Der materielle Wert? Vergleichsweise gering, erklärte die Kirche. Es gebe immer mal Berichte, dass so etwas im Internet angeboten werde - von einem ausgewachsenen Schwarzmarkt habe man aber keine Kenntnis.
Vor allem in weniger katholischen Regionen dürfte so mancher den Kriminalfall als etwas kurios betrachtet haben. Wer interessiert sich schon für Papstblut? Das führt zurück zum Reliquienhändler Pfeiffer. Blut hat er nicht im Angebot. Er schüttelt auch nur den Kopf, wenn man ihn fragt, ob es für die Dom-Reliquie interessierte Händler geben könnte. Das widerspreche jeder Sorgfaltsplicht und dem Berufsethos, sagt er. So etwas könne nicht in den Handel kommen.
Schatzsucher und Kunsthändler
Was Pfeiffer im Angebot hat, sind vor allem Dinge, die einem eine gute Portion Glauben abverlangen. Das gilt nicht nur im Hinblick auf ihre möglicherweise segensreiche Wirkung, sondern auch für ihre Entstehungsgeschichte. Das Papier, in dem die Knochenreste gewickelt sind, ist ein Zertifikat, datiert auf das Jahr 1736. Ein Kirchenoberer hat darauf offenbar festgehalten, dass es sich um eine Reliquie handele. Recht unkompliziert auf einer Art Vordruck, der nur noch handschriftlich ergänzt wurde. Pfeiffer hat gleich mehrere solcher Paketchen in einem Nachlass entdeckt.
Der 61-Jährige mit Einstecktuch, der sich als "Schatzsucher und Kunsthändler" beschreibt, hat auch einen Splitter im Sortiment, der aus dem Kreuz von Jesus stammen soll. Es heißt mitunter, dass es auf der Welt so viele Splitter dieser Art gibt, dass man damit gleich reihenweise Kreuze zusammenleimen könnte. Pfeiffer formuliert es so: Das seien "Zuschreibungen". Diese Dinge seien "Glaubenswerkzeuge". Das günstigste kriegt man bei ihm schon für 30 bis 50 Euro.
Behältnis oft wichtiger
"Es handelte sich früher um eine Art Industrie. Man hat zum Beispiel Stofffäden an die Überreste der Heiligen herangeführt, häufig gab es auch hierfür spezielle Löcher in den steinernen Abdeckplatten der Tumbengräber", erklärt der Experte des Auktionshauses Sotheby's, Herbert van Mierlo. "Es ist eigentlich, und ich meine das wertfrei, ein bisschen Aberglaube im Katholizismus."
Auf dem internationalen Kunstmarkt spiele die eigentliche Reliquie keine so bedeutende Rolle, sondern das Behältnis, in das sie eingefasst wurde - das sogenannte Reliquiar. "Wir betrachten das als Kunstgegenstand", sagt van Mierlo. "Wenn ich ein Objekt habe, das 800 Jahre alt ist, ist es vielleicht nett, auch die Reliquie noch zu haben, weil sie zum Gesamtkunstwerk dazu gehört. Aber unterm Strich macht das meist keinen Unterschied für den Wert." Menschliche Überreste biete sein Haus gar nicht an.
Händler Pfeiffer findet seine Käufer aber auch unter Gläubigen, wie er sagt - obwohl sein Interesse auch eher dem Reliquiar gilt. "Ich freue mich, wenn einer sagt: Diesen Heiligen wollte ich schon immer mal haben. Bitteschön, da mache ich einen guten Preis." Übrigens: Das katholische Kirchenrecht verbietet eigentlich den Verkauf von Reliquien. Dazu sagt Pfeiffer: "Ich bin romantischer Anarchist und Protestant. Deswegen habe ich da kein Problem mit."