Wenige Tage vor dem geplanten Beginn des orthodoxen Konzils auf Kreta am kommenden Sonntag sorgen täglich neue Nachrichten für Verwirrung. Wird die jahrzehntelang geplante "Große und Heilige Synode" der 14 eigenständigen Kirchen der griechisch-orthodoxen Kirchenfamilie verschoben oder ganz abgesagt? Oder kann sie doch noch stattfinden? Und wenn ja, in welcher Form und mit welcher Verbindlichkeit?
Verschiebung beantragt
Mehrere Kirchen haben mittlerweile eine Verschiebung beantragt und anderenfalls mit ihrem Fernbleiben gedroht. Die Gründe sind unterschiedlicher Art und beziehen sich einerseits auf die Qualität der zu verabschiedenden Dokumente und die Verfahrensordnung, andererseits auf ungelöste Konflikte zwischen einzelnen Kirchen, die einer Kirchengemeinschaft entgegenstünden. Dabei soll das Konzil gerade die Einheit der orthodoxen Kirche herausstellen und einige strittige Themen diskutieren.
Dazu zählen etwa Fragen der Organisation der orthodoxen Diaspora - also der Situation der außerhalb ihrer jeweiligen "Mutterkirchen" in Westeuropa, Amerika und anderen Weltregionen lebenden Christen.
Außerdem geht es um Fastenregeln, den Umgang mit sogenannten "Mischehen" und die Art und Weise der Autonomieerklärung bestimmter Kirchengebiete innerhalb ihrer Mutterkirche. Aber auch die Beziehungen zu anderen Kirchen und die Weltverantwortung der Orthodoxie stehen auf der Tagesordnung.
Die sechs seit den 1970er Jahren entworfenen und mehrfach überarbeiteten Vorlagen sind nach Ansicht der Kritiker ungeeignet für die weitere Behandlung. Konservative Kreise wenden sich zudem gegen die ganze Richtung des Ökumene-Papiers. Gefordert werden einzelne Änderungen oder die Erstellung völlig neuer Fassungen sowie die Diskussion zusätzlicher Themen. Dies alles lässt die rigide Verfahrensordnung nicht zu, die Einstimmigkeit bei allen Abstimmungen erfordert und abweichende Voten innerhalb der Delegationen nicht berücksichtigt. Sowohl die Texte - mit einer Ausnahme - als auch die Ordnung wurden allerdings von den Vorstehern der Kirchen bei einer Sitzung im Januar gemeinsam beschlossen.
Vier Kirchen sagen ab
Die Kirchen von Bulgarien, Serbien und Georgien sowie das Patriarchat von Antiochia sagten nun ihre Teilnahme am Konzil ab. Dagegen warnten die kleinen Kirchen von Zypern und Albanien ausdrücklich vor einem Boykott der Synode. Am Wochenende zog auch die russisch-orthodoxe Kirche eine Verschiebung in Erwägung. Es gebe "so immense Probleme", dass sie bei der Versammlung auf der griechischen Mittelmeerinsel Kreta nicht gelöst werden könnten, sagte der Erzbischof der russisch-orthodoxen Auslandskirche für Deutschland und Großbritannien, Mark (Arndt) der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er könne sich "vorstellen, dass auch die russische Kirche sagt, es ist sinnlos, dass wir dort hinfahren". Moskau will am Montag entscheiden, ob sie nach Kreta kommt. Dann soll ihr Heiliger Synod tagen.
Das federführende Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hatte vergangene Woche gegen alle Einwände das Festhalten an der bisherigen Linie bekräftigt. Fraglich ist allerdings, welche Akzeptanz ein Konzil hätte, bei dem nicht alle 14 Kirchen vertreten sind. Von einem "allorthodoxen" ("panorthodoxen") Konzil könnte jedenfalls nicht mehr die Rede sein.
Treffen als "vorkonziliare Versammlung"?
Die serbische Bischofsversammlung brachte mit ihrer Absage an ein Konzil noch eine andere Idee ins Spiel: man solle das Treffen trotzdem abhalten, aber heruntergestuft als "vorkonziliare Versammlung". Dann würden auch die Serben kommen. Im Unterschied zum Moskauer Vorschlag, die bestehenden Differenzen bei einer weiteren dem Konzil vorgeschalteten Sitzung der Vorsteher zu beraten, hätte diese Variante den Vorteil, dass ein deutlich größerer Teilnehmerkreis an den Debatten beteiligt wäre. Es wäre gleichsam eine konziliare Versammlung ohne die einengenden Regeln eines formellen Konzils. Dabei könnte es auch zu dem freien Austausch von Argumenten kommen, den die geltenden Regularien gerade verhindern sollen.
Ob dieser Vorschlag Chancen hat, wird vor allem von den Reaktionen der Patriarchate von Moskau und Konstantinopel abhängen. Würde auch die Moskauer Kirche als die bei weitem größte der Orthodoxie zu Hause bleiben, wäre das Konzil gescheitert - selbst wenn es nicht offiziell abgesagt würde. Eine Verschiebung auf unbestimmte Zeit würde keines der angesprochenen Probleme lösen. Und eine Herabstufung wäre für den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., der den Vorsitz innehat, eine schwer zu schluckende Kröte nach seinem großen persönlichen Engagement für das Konzil. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt - auch die eingeladenen "Beobachter" aus anderen Kirchen werden sie aufmerksam zur Kenntnis nehmen.