KNA: Weihbischof Puff, im Vatikan ist heute ein neues Papier zu geistlichen Gemeinschaften veröffentlicht worden. Was ist das Wichtigste daran aus Ihrer Sicht?
Puff: Es geht um den Zusammenhang zwischen Amt und Charisma. Ein wichtiges Thema, denn nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind viele neue geistliche Bewegungen entstanden. Und die waren und sind zum Teil ganz anders als das, was man in der Kirche gewohnt war. Und es ist ganz entscheidend, beides unter einen Hut zu kriegen - das Charisma und das Amt, die Hierarchie. Das darf nicht auseinanderdividiert werden.
KNA: Wo sehen Sie Impulse aus diesen Gemeinschaften in die Kirche hinein?
Puff: Papst Johannes Paul II. hat sie einmal als "Antwort der Vorsehung" charakterisiert. Das heißt, in einer Situation, in der die Kirche alt und müde wird, gibt es auf einmal frischen Wind und einen Aufbruch. Und Gott hat ja - zum Glück - immer in der Kirchengeschichte so gehandelt. Denken Sie etwa an das Mittelalter, als der heilige Franziskus seinen Orden gründete: Da lag die Kirche am Boden, und es entstand eine Erneuerungsbewegung. Zunächst ganz am Rand, doch bald konnte sie ihren Platz in der Kirche finden, auch durch die Beziehungen zum Amt. Und dadurch ist die Kirche erneuert worden, und das passiert immer wieder - auch durch neue Bewegungen.
KNA: Zwischen Charisma und Amt, zwischen neuen Gemeinschaften und bestehenden Pfarreien etwa, gab und gibt es aber auch immer wieder Konflikte...
Puff: ... Das gehört mit dazu. Das sagt ja auch Kardinal Müller in dem neuen Schreiben. Das Amt hat deshalb die wichtige Aufgabe, die Charismen genau zu prüfen. Und das geht nicht in einer halbe Stunde, sondern kann Jahre dauern. Und da gehört zum einen dazu, dass sich die Bewegungen auf diese Prüfung einlassen und sich auch korrigieren lassen. Zum anderen gehört aber auch dazu, dass das Amt die neuen Bewegungen zulässt, fördert und wachsen lässt. In dem Papier heißt es ja, dass diese charismatischen Bewegungen von Gott kommen. Dann darf man sie auch nicht ausbremsen und abservieren.
KNA: Es gab aber auch immer wieder Klagen aus Gemeinden, dass die neuen Gemeinschaften sich absondern und spalten. Wie erleben Sie das?
Puff: Es gab diese Konflikte früher stärker, da gab es viel Unsicherheit auf beiden Seiten: bei den Bewegungen oft ein Übereifer, und in den Bistümern eine Skepsis, ob sich da jetzt freikirchliche Strömungen breitmachen. Aber soweit ich das überblicken kann, ist daraus in aller Regel ein gutes Miteinander geworden. Nur so kann es ja gehen. In dem neuen Papier steht ja auch ganz klar, dass die Gemeinschaften keine Parallelwelten aufbauen dürfen.
KNA: Sie gehören selbst zu einer solchen Gemeinschaft, dem Neokatechumenalen Weg. Was finden Sie dort auf Ihrem Glaubensweg?
Puff: Ich bin als Student dazugekommen vor 35 Jahren und habe dort sehr viel Substanz für meinen persönlichen Glauben gefunden. Wenn man so will, bin ich als Weihbischof eine Art lebendes Beispiel dafür, dass Amt und Charisma zusammenpassen können. Das widerspricht sich nicht, sondern hilft mir sehr in meinem Amt. Der heilige Augustinus hat mal gesagt: "Für Euch bin ich Bischof, mit Euch bin ich Christ".
So ähnlich erlebe ich es auch - auf einer Seite übe ich ein Amt aus, auf der anderen Seite gehe ich als einer unter vielen Brüdern und Schwestern in der Gemeinschaft meinen Glaubensweg.
KNA: Was macht für Sie gerade diese Gemeinschaft aus?
Puff: Das Spezielle auf diesem Weg ist, dass er die Taufe weiter entfalten will. Salopp gesagt, geht es darum, seinen Kinderglauben upzudaten und in den Alltag zu übersetzen - und das nicht für sich alleine, sondern in einer Gemeinschaft. Mir hilft das sehr, hier einen vertrauten und vertraulichen Raum zu haben, in dem ich mich mit anderen austauschen kann.
KNA: Zum Schluss: Was kann das neue Papier bewirken?
Puff: Ich hoffe sehr, dass meine Kollegen, die anderen Bischöfe, Mut haben, diese neuen Gemeinschaften zuzulassen, und dass hier ein Fenster aufgeht, damit diese Bewegungen einen guten Beitrag leisten können - gerade in einer Zeit, in der wir in der Kirche nach neuen Wegen suchen.
Das Interview führte Gottfried Bohl.